Von Gilbert K.Chesterton, nach Meinung Ernst Blochs „einer der gescheitesten Männer, die je gelebt haben“, stammt der Satz, dass er „die Einsicht des einfachen Mannes von der Straße jederzeit dem gelehrten Geschnatter der Salon vorziehen“ würde.

Man nannte Chesterton nicht umsonst den „Apostel des gesunden Menschenverstandes“.

Apostel? Aber sicher, man kann ihn einreihen in die Riege der Jünger und Verkünder, und zudem großen Journalisten, er wusste, dass es vernünftig war, Christ zu sein, ja, dass eine Vernunft ohne Glauben totalitär und massenmordend abkippen kann, dieser Einschub sei mir gestattet, da ich diese Betrachtung an einem Karsamstag anstelle, diesem merkwürdig stillen Tag, an dem Gott einen Teil seiner Selbst sterben ließ und tot ist. Chesterton sagte dazu: „Das Christentum enthält womöglich mehr Paradoxa als jede orientalische Religion – aber es baut bessere Straßen.“ Punkt.

Dass ich eine Rezension des neuen Buches der wundervollen Cora Stephan ausgerechnet mit dem beginne, was fehlt – nämlich einem Kapitel über den Glauben – hängt damit zusammen, dass zumindest der christliche Glaube in unseren Breiten nicht mehr als Normalität gilt.

Und Coras Buch widmet sich ausdrücklich dem „Lob des Normalen“. Und im Untertitel „Vom Glück des Bewährten“.

Ja, der Glaube verdämmert, da sind keine Wurzeln mehr,  und das Bewährte löst sich auf, es ist nahezu verschwunden, und, nimmt man das Wahlprogramm der Grünen ernst, soll das Hergebrachte ganz ausdrücklich verschwinden und unser Bewußtsein für die Tradition, die Chesterton die „Demokratie mit den Toten“ nennt.

Dabei ist sie der Grund, auf dem wir alle stehen.

Aber wir sollen einen „Total Reset“ beginnen, eine ganz neue Schöpfungsgeschichte und Wurzeln ins Luftreich der Träume schlagen. Dazu gehört, dass wir schon längst eine Kultur der Selbstoptimierer gegründet haben. Konkret heisst das: wir haben Gott durch uns selber abgelöst.

Rück rüber, Alter Mann, jetzt übernehmen wir. Okay, du kannst mir mal den 12-Schlüssel rüberreichen, und die Flachzange da drüben, aber ansonsten…Kaffee holen.

Also, das ist der Plan: Wir reißen alles ein und bauen neu auf. Capisce? Der Mensch mit seinen zwei Geschlechtern wie Mann und Frau? Nur zwei? Machst du Witze? Wir haben 56 Geschlechter im Angebot, wobei man natürlich die Qual der Wahl hat. Egal, besser zuviel als zuwenig.

Die Erderwärmung, auch so eine Sache. Seit Äonen lässt du die Temperaturen schwanken auf unserem blauen Planeten. Wir werden das jetzt erst mal mit ein paar Kfz-Verordnungen neu justieren, und zwar auf ein Bruchzehntel genau.

Ach ja, die Viren, das war wohl ein ziemlich schlechter Scherz, oder? Die Natur einfach machen lassen? In einem Liter Meerwasser sind ein paar Milliarden Viren enthalten! Wie hast du dir das gedacht? Gottseidank, pardon, zum Glück haben wir Wissenschaftler wie Drosten mit ihren Tests, die so über den Daumen gepeilt sagen können, ob da irgendwo Covid im Spiel ist. Oder Grippe. Oder was weiß ich.

Im übrigen arbeiten wir, ich sach nur „Homo Deus“, an unserer eigenen Unsterblichkeit. Guckst du!

Wir haben das alte Normal hinter uns zurückgelassen, das Jahrhunderte- ach Jahrtausende lang galt. Etwa Familien und Stammesverbände, ja sogar Nationen, weil sie uns Schutz versprachen. Gegen den Säbelzahntiger. Oder Fremde.

Zum Glück gibt es keine Fremden mehr. Wir haben sie abgeschafft. Es gibt nur noch Menschen. Manche weiß, manche schwarz, manche gelb, und alle sind Brüder. Außer den Nazis. Die kriegen auf die Schnauze, denn die vermehren sich mit jeder Bundestagsrede von Martin Schulz oder Saskia Esken in kaum noch zählbare Größenordnungen hinein, weit jenseits von hundert Prozent.

Zu den Fremden, auch in unserem Land, kann man nur Cigdem Akkaya von den Grünen zitieren, die Stellvertretende Direktorin des Essener Zentrums für Türkei: “Die Leute werden endlich Abschied nehmen von der Illusion, Deutschland gehöre den Deutschen.“ Oder Renate Künast, „Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher mal türkisch lernen!“

So, das dazu.

Wobei das mit dem Sprachen lernen, da sind wir ehrlich und aufgeklärt genug, auch heikel ist. Gerade kam Kevin Kühnhardt, früher Call-Center, jetzt SPD, auf die Idee, dass zum Beispiel Polnisch lernen ja auch ein Akt der „Cultural Appropriation“ ist, also Aneignung einer fremden Kultur, oder, um es mit Kühnhardt zu sagen, eine „Linguistische Panzerattacke“, und das gerade mal 82 Jahre nach Kriegsbeginn!

Mittlerweile hat sich der Berliner Justizsenator eingeschaltet, der für diesen ausgesprochenen Irrsinn sogar einen Kompromiss vorschlägt: „Wer einer Spre­che­r*in­nen­grup­pe angehört, die kleiner ist als eine andere Sprecher*innengruppe, darf deren Sprache in der Regel lernen.“ Ja sicher ist das wahnsinnig. Aber immerhin neu.

Damit wäre die Kuh vom Eis. Und wir können uns der Frage Cora Stephans zuwenden, nämlich „Was ist normal?“ Ganz sicher nichts von, was unsere bereits erwähnten Sozialklempner*Innen oben vorschlagen.

Der Einfachheit halber möchte ich als heterosexueller Steinzeitmensch auf die Sternchen und Binnen-Is im Folgenden verzichten, erstmal, weil das beim Meißeln in meiner Höhle so umständlich ist und zweitens, weil ich der ganz normalen Mehrheit außerhalb der Seminarräume angehöre, also nicht den von Chesterton verachteten Solonkommunisten, sondern eher einfach gestrickt. Im Wesentlichen kenne ich zwei Geschlechter und darüber hinaus ein paar nette Lesben und Schwule, die allerdings gleichzeitig eindeutig Männer und Frauen sind und ansonsten meiner Meinung.

Ich frage mich, und mit mir wahrscheinlich auch Cora Stephan, wie lange wir Normalos noch wählen gehen dürfen. Im Kapitel Populisten erwähnt sie uns immerhin als immer noch umworbene Wählergruppe, auch wenn uns Hillary Clinton einen „basket of deplorables“ nannte.

Allerdings müssen wir uns darauf einrichten, dass wir in der „Opferhierarchie“ (Stephan) ziemlich weit unten stehen, denn wir sind, obwohl wir nicht direkt tätig sind, Partizipierende und Nutznießer einer „strukturellen Gewalt“, die durch Weiße oder ein finanziell gut ausgestattetes Bürgertum ausgeübt wird – wie wunderbar, dass sich Cora noch an die Seminare der 70er Jahre erinnert und die Schriften des Friedensforschers Johan Galtung.

Wir sind so privilegiert, dass wir für Vergewaltigungen und Morde keine Entschuldigung haben, anders als unterdrückte Asylanten oder afrikanische Immigranten, die durch die religiösen und kulturellen Codices ihrer Heimatländer ein völlig anderes Frauenbild in ihre Köpfe gehämmert bekommen haben, wofür man in unseren Gerichten und auf den Bezirksversammlungen der Grünen Jugend jedes Verständnis hat.

Es mag sein, dass wir „Oversexed“ waren, so ein weiteres Kapitel in Stephans Brevier, wir wetterfesten und mittlerweile in Würde gealterten Hippies, die wir partout rauskriegen wollten, wie ozeanisch schön Sex mit mehreren Mitspieler*Innen (okay, nur noch dieses eine Mal ein Sternchen!) sein kann, und die wir dann doch hängen blieben an der einen großen Liebe und auf diese Art begriffen, was Chesterton zur sogenannten „freien Liebe“ zu sagen hatte, nämlich „Liebe ist nie frei“.

Zweisamkeit ist das Normalste der Welt. Seitensprünge, das lernt man: viel zu anstrengend. Im übrigen empfinden diese Buchstabensalat-Geschlechter genauso, sonst würden sie nicht um ihre „Ehe für alle“ mit allem emanzipatorischem Furor kämpfen.

Da wir uns noch im Oberkapitel „Krieg der Geschlechter“ befinden – auch da hat sich im Rollenverhalten einiges geändert, wie wir von Cora erfahren.

Nach Trumps historischem Wahlsieg 2018 bei den Normalos orakelte ja bereits, wir erinnern uns, unser Dickerchen Siggi Gabriel voller Abscheu (meistens sind aufgeschwemmte linke Männer mit Brüsten feministisch hochengagiert), nun kehre das traditionelle Rollenklischee „der Frau am Herd“ zurück.

Und er hatte recht: Sie will tatsächlich an den Herd, die Frau, und zu den Kindern, und nicht an der Lidl-Kasse herumschuften oder in einer langweiligen Verwaltungsetage das Heranwachsen ihrer Kleinen verpassen! Wie widerlich arrogant ist dieser hochmütige sozialdemokratische deutsche Nanny- und Funktionärinnenstaat mit seiner Verachtung für alle Frauen, die nicht ihren roten Laubsägearbeiten entsprechen!

Cora Stephan erwähnt hier einen interessanten Trend. Während die von ihr zitierte Sozialwissenschaftlerin Jutta Allmendinger durch die Corona-Krise eine „entsetzliche Retraditionalisierung“ beklagt, tauschen Frauen vermehrt auf Facebook fröhlich Aufnahmen vom Essen, dass sie kochten und von den Kindern, mit denen sie spielten.

In den USA und auf der britischen Insel, berichtet Cora,  gibt es den neuen Trend der Tradwives – Frauen, die ganz bewusst traditionelle Rollen annehmen, also sich auf Kindererziehung und Haushalt konzentrieren. (Was ein Mörderjob sein kann, das weiß ich aus eigener Anschauung, denn meine Mutter hatte fünf Söhne zu versorgen, das heißt, aufgeschrammte Knie zu bepflastern, Socken zu stopfen, Pullover zu stricken, Hausaufgaben zu überwachen, im Fahrradurlaub die Tasche mnit dem Proviant an der Lenkstange), während sie die Karriere und das öffentliche Leben ihrem nicht minder geschlauchten Mann, einem CDU-Sozialpolitiker  überließ – Arbeitsteilung wie seit tausenden von Jahren, und völlig normaaaal.

Allerdings wäre auf Seiten der Männer aufzuholen. Dieses „fluide Metropolen-Ding“ (Cora Stephan) Mann, das sich als Weichei von einem Schneeflöckchen-Schutzraum in den nächsten rettet, ist ganz sicher kein pater familiae mehr, keine Autoriotät und in Momenten der Gefahr keiner, der Aggressoren zurückschlägt und Schutz bietet, wie er es früher einmal war, als wir noch eine Armee hatten und Panzer, die funktionstüchtig waren, statt solcher, die mit Schwangerschaftssitzen ausgerüstet waren.

Nun soll der Kampf gegen die normalen Rollenaufteilungen mit gesetzliche Forderungen nach Parität in Wirtschaft und Politik erzwungen werden, mit lustigen Ergebnissen.

Zunächst mal sind paritätische Listen grundgesetzwidrig, wie Stephan sehr richtig anmerkt, weil sie gegen die Wahlfreiheit verstoßen. Zum zweiten hat sich zum Beispiel Markus Söder, der wohl fürchterlichste Musterknabe des Zeitgeistes, mit seiner Frauenquoten-Forderung an der eigenen Basis eine blutige Nase geholt, weil diese die Bevormundung durch eine, wenn auch fränkische, Sepplhose entwürdigend fanden.

Schreiten wir zum Kapitel “Heimat“. Auch hier waren die Sturmbatallione der 68er unterwegs – und wir müssen an dieser Stelle feststellen, dass die Flurschäden dieser verwirrten Kohorte Schneisen geschlagen haben im das Erziehungssystem, die Schulen, die Hochschulen und Parteien und Gerichte, und miuttlerweile tief in der DNA unserer Kultur abgelagert sind.

Heimat galt als von den Nazis beschmutzter und missbrauchter Begriff, von dem man sich abzufedern hatte, hinauf und hinaus in ein globales Nirwana, in eine nichtssagende Ortlosigkeit, solange dort kein brüllender Hirsch über dem Sofa hing.

Dass Heimat ein geradezu mythologischer Begriff ist, wie der Marxist Bloch am Ende seiner „Utopie Hoffnung“ schreibt, sie ist das, „das allen in die Kindheit scheint und worin nioch niemand war: Heimat“. Das nicht entfremdete Geborgensein, zu dem wir unterwegs sind, das Selbstversändliche, die Luft die wir atmen, die Liebe, die wir spüren.

Diese Heimat ging den Holzschädeln der Sozialistischen Internationale nie ein.

Heimat ist der Schwarzwald, in dem wir unseren Sommerurlaub machten, der Geruch der Tannen und der Wiesen, Heimat ist so normal wie der Bolzplatz auf der Straße, Heimat ist das, was wir verteidigen wollen wie das Wohnzimmer, solange wir nicht zu den anywheres, gehören, den miles-and-more-Kunden der Welt-Metroplen.

Dass uns genau diese heimatlosen anywheres auch noch Moral diktieren wollen, besonders an den Hochschulen, wo Stellenaussschreibungen nach „Pluralität“ fragen, statt nach fachlicherr Qualifikation, ist die wahre „Cultural appropriation“, die eigentliche feindliche Übernahme.

Dazu gehört der uns amtlich übergestülpte Genderjargon. Dazu gehörten Stellenausschreibungen wie diese, die Cora zitiert: „…„vorzugsweise neomarxistische Ansätze, postkoloniale Ansätze, feministische Ansätze, New Materialism oder Assemblage-Ansätze…“

Sowas gehört mittlerweile zu den tristen Kapiteln der Abkehr von der Normalität auch im Wissenschaftsbereich.

Cora Stephans wunderbares Brevier schließt mit einer tröstenden Versicherung: „Bleiben Sie, wie sie sind: normal. Es ist völlig normal, normal zu sein.“ Wahrscheinlich ist es auch die einzige Waffe, die unser Gesunder Menschenverstand aufbieten kann gegen den Great Reset, den Großen Umsturz, den die Sozialingenieure der Linken vorbereiten.

Bleiben Sie normal – wenn sie nicht wahnsinnig werden wollen!