Es war am 1. Tag des neuen Jahres, als mir ein Freund – ein wunderbarer Autor – einen TV-Schnipsel mit Olaf Scholz schickte, in dem dieser von seinem „Regime“ sprach und seinem „großen Waffenarsenal“, das er einzusetzen gedenke, sowohl gegen den Virus als auch die Unbotmäßigen, etwa die als Spaziergänger getarnten Dissidenten, deren Vergehen – kein Witz – derzeit als „stumme Meinungsäußerung“ gegen die Regierung strafbar ist.

„Regime“ also, und „Waffenarsenal“, diese Grusel-Wörter hervorgehoben und in die MAZ gestellt. Sie blieben offenbar ganz unbeanstandet von der breiten Öffentlichkeit, aber mir ging der Hut hoch und ich stellte die Sache auf Facebook.

Wie jeder weiß ist FB das Instagram der Ü60, der Rentner mit viel Zeit.

Mit Zeit genug, auch Beiträge zur Kenntnis zu nehmen, die die 5-Sekunden-Schallmauer durchbrechen. Zeit genug im Übrigen auch, sich auch hier strafbar zu machen und gegen ominöse Gemeinschaftsstandards zu verstoßen, mit „Hassrede“ oder ähnlichem, was zumindest zu vorläufigen Sperren führen kann, also zum Ausschluss aus der Gemeinschaft, etwa, kein Witz, indem man Herrschaftkritisches von Heinrich Heine zitiert.

Mein Freund schickte mir die Scholz-Äußerungen über Regime und Waffenarsenale als unschönen Ausblick auf das Kommende.

Die Reaktionen meiner FB-Freunde entsprachen meiner eigenen Empörung, sie waren kritisch, zynisch, fatalistisch. Bis auf eine, sie stammte von einem meiner türkischen FB-Freunde, Selcuk T. er hatte mich schon kurz zuvor gerügt, weil ich die Abonnentenzahlen der Zeit, die sich mit einem enormen Sprung nach oben brüstete, „getürkt“ genannt hatte.

Mit solchen Sensibilitäten hatte ich bis dato noch nicht zu tun, aber ich nahm mir vor, in Zukunft Rücksicht darauf zu nehmen, sein Profilfoto zeigte ein freundlich offenes Gesicht, warum nicht.

Nun meldete sich Selcuk erneut. Diesmal geharnischt. Die Scholz-Passagen seien ganz offensichtlich getürkt, sorry: Fake, und ich solle den „Müll“ umgehend von meiner Seite nehmen. „Zudem würde der Bundeskanzler in diesem Kontext sicher nicht diese Worte wählen“. Da schimmerte also auch bei ihm eine leichte Irritation durch.

Ich war verunsichert. Er nicht: „Das ist ein Fakevideo. Es ist weder lippensynchron noch entspricht es der Wahrheit.“

Ich schaute mir die Sache noch einmal an. Eindeutig Olaf Scholzens Stimme. Ich schrieb: „Ich finde es lippensynchron, aber wenn es Fake ist, lösche ich es natürlich, gib mir noch zehn Minuten zum Checken der Quelle“. Ich hielt Rücksprache mit meiner Quelle.

Die stand zur Authenzität des Films.

Selcuk war sich sicher. „Die Pausen zwischen den Worten klingen geschnitten. Ist definitiv Müll“. Er sei beruflich sensibilisiert für solche technischen Spielereien.

Nun wollte ich mich nicht einen Fälscher nennen lassen und war schon im Begriff, den Beitrag zu löschen.

Da schickte mir eine Freundin den ganzen Film-Beitrag: es handelte sich um ein Interview, das Marietta Slomka mit dem neuen Kanzler im heute-Journal geführt hatte.

Das Filmchen war echt, Scholz hatte tatsächlich in diesem Militärjargon daher geschnarrt, „Regime“ und „Waffenarsenal“, das „auch zum Einsatz kommen werde“…und das, lieber Selcuk, trotz seiner Eigenschaft als „Bundeskanzler“, der „so etwas nie sagen würde“.

Mir war das Interview entgangen, wie ich mir heute-Journal und Tagesthemen generell entgehen lasse, samt den früheren Nachrichtensendungen und späteren politischen Quasselrunden – ich lese lieber ein gutes Buch („Die Brüder Karamasow“) (dort übrigens zählt Dostojewski Journalisten im Gegensatz zu Dichtern zu den „Durchschnittmenschen wie Beamte, Feuilletonisten, Popen…“)

Da mich mein türkischer Freund nun als vermeintlichen Falschnachrichten-Verbreiter  öffentlich angegangen war, bat ich ihn, sich ebenso öffentlich zu entschuldigen. Schließlich sind wir Freunde und Gentlemen. Und ich schloss eine eventuelle „Entfreundung“ nicht aus, da ich in meinem Freundeskreis keine, wie ich es nannte, „U-Boote“ gebrauchen kann.

Die Entschuldigung blieb aus. Statt dessen ließ er mich per Persönlicher Nachricht wissen, dass ER nun MICH entfreundet hatte. Und er sprang damit flink in eine andere Rolle, die ihm den jedem offenstehenden und heutzutage sehr bequem erreichbaren Glanz eines antifaschistischen Kämpfers verlieh.

Begründung: „Du hast Trump und AfD-Wähler in deinem Freundeskreis“. Offenbar war ihm das erst jetzt bewusst.

Auch seine Postings hatte er sämtlich und sorgfältig gelöscht, ich hatte allerdings schon ein paar screenshots gemacht wegen der Ungeheuerlichkeit dieses Vorgangs.

Seine PN begann er mit den Worten: „Sorry Matthias falls es Missverständnisse gab. Ich bin immer ehrlich, fair und sportlich und auch sicher kein U-Booo (was das auch immer sein mag)“

Ich nannte das in meiner Antwort den „verlogensten aller Dreher“. Er darauf: „Nein sorry. Ich wäre gerne geblieben, weil ich dich schätze und diese Differenz ohne weiteres zu klären gewesen wäre.“ Dabei war es doch nur die Differenz zwischen Lüge und Wahrheit! „Aber Trump und AfD Wähler dulden geht mir einfach zu weit.“ Aha.

Aber eigentlich ist es nicht der verlogenste, sondern der Beste alle Dreher gewesen, denn er führte schulbuchmäßig die Ahnungslosigkeit und die Messer der Ressentiments vor, die in öffentlichen Diskussionen zum Einsatz kommen, wenn die freiwilligen Unterstützer des „Regimes“ eingreifen.

Die AfD, nach wie vor die einzige echte Alternative im Parlament, wird als derart toxisch ausgegrenzt, dass sich eine Auseinandersetzung erübrigt. Ja, man muss offenbar selbst ihre Sympathisanten mit der AHA-Regel im Internet auf Abstand halten, da Infektionen befürchtet werden. Als sei die AfD die politische Entsprechung des Corona-Virus.

Er schrieb, er wolle nichts mit einer Partei zu tun haben, die unter dem Motto „Deutschland den Deutschen“ antrete. Nun bat ich ihn, mir einen einzigen Beleg für dieses Motto zu liefern. Nun, antwortete er, vielleicht „nicht wörtlich aber dem Sinn nach“.

Und nun warf er mir vor, mich nicht von „braunem Dreck“ zu distanzieren. Ich bat ihn, mir aus meinen hunderten von Artikeln und zwei Dutzend Büchern nur einen einzigen Satz zu nennen, der ihn vermuten lassen könne, ich würde „braunen Dreck“ unterstützen.

Ich fragte ihn, ob er mal ins Programm der AfD geschaut und zum Beispiel das Plädoyer für Volksabstimmungen zur Kenntnis genommen hätte, ein Prinzip, zu dem sich keine andere Partei im Bundestag bekennen wollte, auch die Grünen nicht, ja, diese hatten es tatsächlich gestrichen, in dem Moment, in dem sich eine Machtoption für sie ergab.

Nun wollte er gar nicht mehr, mein Selcuk, mein Faktenjäger, es fehlte ihm einfach die Kraft zur Auseinandersetzung.

Letztlich interessieren Fakten dann doch nicht soooo sehr.

Ganz besonders nicht, wenn sie in der Masse eines sozialen Netzwerkes bewegt werden. Von der nämlich, das wusste Gustave Le Bon bereits in den 70er Jahren des 19. Jahrhundert, den ich zur Teit lese, folgendes: „In den meisten Fällen zeigt die Handlungsweise der Massen eine außerordentlich niedrige Geistigkeit“. Und genau das ist doch auch heute die Gefahr in diesen Tagen mit einer Regierung, die nichts Geringeres als eine große Umgestaltung des gesellschaftlichen Lebens auf dem Programm hat und Gemüter wie unseren Selcuk offenbar begeistert. Es genügen Schlagwörter wie „Nazi“ oder „Klima“, einfachste Reize, Emotionen.

Noch einmal Le Bon: „Daher gibt es nichts Traurigeres für ein Volk als die Leidenschaft der großen Umgestaltungen, so vortrefflich sie theoretisch sein mögen.“ Für ihn war der Tugend-Terror der französischen Revolution, der nur eine Generation zurück lag, ein mahnendes Beispiel. Doch sein Buch „Die Psychologie der Massen“ ließe sich auch als Warnung vor kommenden Massenerregungen wie die Oktoberrevolution oder die Machtergreifung der Nazis mit den jubelnden Sportpalästen lesen. Oder auf heutige erregungen wie die Angst vor dem Weltuntergang durch Erderwärmung.

Seine Erkenntnis: In der Masse wird das Individuum dumm. Es mag als Einzelner Würde und Anstand besitzen, doch im Brausen der Menge wird es hemmungslos und ist zu jeder abscheulichen Untat bereit. Im Trommelfeuer der regierungstreuen Medien wird dieses Brausen gegen Regimfeinde ermuntert. Und selbstverständlich pflanzt es sich fort im Netz.

Gustave Le Bons „Psychologie der Massen“ hat Freud beeinflusst und EliasCanetti und viele andere mehr.

Es ist das Buch der Stunde.

 

 

 

 

 

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