(Zuerst veröffentlicht in Weltwoche Nr.48, 26.November 2020)
Die Frage im Titel ist schwer zu beantworten, weil Jesu Reich nicht von dieser Welt ist, wie er selber sagte. In seinem Reich, so viel können wir vermuten, ergeben politische Richtungen wie links oder rechts keinen Sinn, weil wir dort mit ganz anderen Dimensionen zu tun haben, mit Himmel und Hölle, mit Gnade und Fegefeuer und Ewigkeit, mit dem Jüngsten Gericht.
Wer sich anmasst, den Jesus, wie wir ihn aus den Evangelien kennen, ins kleine Karo unseres politischen Jammertals zu übertragen, verstösst ganz sicher gegen das zweite Gebot, in dem es heisst: «Du sollst den Namen deines Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen.»
Leider ist es dieses Gebot, gegen das derzeit besonders von den Kirchen, sowohl von der protestantischen wie der katholischen, verstossen wird. Wo immer eine vermeintlich moralische und linke Sache zu promoten ist, stehen die Kirchenvertreter Schlange wie Groupies bei einem Céline-Dion-Konzert, um sich als Streiter im Namen Gottes zu präsentieren und offene Türen einzurennen.
Die Flüchtlingskrise mag ein Beispiel sein, wo es von allen Kanzeln herunterschallte, dass die Hl Familie schließlich auch einst auf der Flucht war, allerdings nicht auf einer, die in einem Wohlfahrtsstaat endete und Ansprüche auf fortdauernde Alimentierung nach sich zog. Auch die sogenannte Konzerninitiative in der Schweiz mag als Beispiel dienen, die Unternehmen verpflichtet, juristische Standars wie im Heimatland zu befolgen. Dass man Kinder nicht mit vergiftetem Wasser töten sollte, das kann man, so würde Rüdiger Safranski es formulieren, «schon mit Bordmitteln erkennen», dazu braucht man keinen Jesus, wie auch immer man ihn ausstaffiert. Auch Kant genügt mit seinem «Den Sternenhimmel über mir und das Sittengesetz in mir». Eine Selbstverständlichkeit, nicht nur für Linke, nicht nur für Kirchgänger.
Dass Jesus ein Linker sei – oder muss man heutzutage sagen: eine Linke? –, hat vor allem mein leider verstorbener Intimfeind in allen Talkshows, in denen wir aufeinandertrafen, Heiner Geissler, der spät erweckte Attac-Kämpfer, unermüdlich behauptet. Er hatte das Buch «Was würde Jesus heute sagen» verfasst, welches ich immer als reichliche Kompetenzüberschreitung ansah, als sei Jesus die Bauchredner-Puppe Heiner Geisslers und der wiederum ein Teil der Heiligen Dreifaltigkeit.
Ist die Bergpredigt das «Kommunistische Manifest»? Hm, Matthäus berichtet nicht von einem Volksaufstand, sondern von einem Publikum, das dem inspirational talk eines zunehmend bekannten Wanderpredigers lauscht. Ihn umgibt der Zauber des Unbegreifbaren, der kaum praktikable Forderungen stellt. Etwa die nicht nur nach Nächsten-, sondern sogar Feindesliebe.
Nicht nur nicht töten, sondern das Höllenfeuer schon für den, der zürnt. Verdammung nicht für den Ehebrecher, sondern schon für den, der eine andere Frau nur lüstern anschaut. Die Bergpredigt ist ein sittliches Überbietungsprogramm, eine Gipfelerstürmung, und ihr «moralischer Heroismus» (Albert Schweitzer) hat seither jede Menge Fanatiker beseelt.
Am tiefsten durchglüht hat sie wohl den heiligen Franziskus, der mit dem Armutsgebot ins Menschenunmögliche Ernst machte, so Ernst, dass die Ordensregeln, die er entworfen hatte, auf Anweisung des Papstes abgemildert wurden. Mit seiner Liebesekstase ein Irrer im Namen Gottes.
Die Waldenser, die Katharer, die Wiedertäufer und die Befreiungstheologen der wilden sechziger Jahre in Lateinamerika, die mit Bibel und Maschinengewehren die Diktatoren und die feudalen Rinderbarone und die United Fruit Company und Coca-Cola und Esso zum Teufel jagen wollten, sie alle beriefen sich auf den moralischen Heroismus der Bergpredigt.
Ohne wehleidige Botschaft
Heute, am Hochfest Christkönig, hat in unserem kleinen Nest an der Ostsee Bruder George aus Kenia gepredigt, schlank und gross und cool wie ein Massai-Krieger, er predigte über das Matthäus-Evangelium, in dem der Menschensohn wiederkehrt und Gericht hält und diejenigen, die dem Armen und damit ihm ihm gaben, als er hungerte und dürstete, in sein Reich aufnimmt und die anderen, die es nicht taten, verdammt.
Priester George kam ohne jede wehleidige politische Botschaft aus, denn er nimmt sein Priesteramt ernst, und er versteht es nicht als Agentur der Bundesregierung oder des europäischen Migrationspaktes oder der Uno, die zu einer Organisation linker Verbrecherstaaten wurde, in deren Menschenrechtskommission die Volksrepublik China das grosse Wort schwingt, ausgerechnet also die Nation, die rund eine Million Uiguren in Lagern hält.
China, das seine Katholiken in den Untergrund getrieben hat, aber den KP-hörigen Katholiken der Staatskirche das Praktizieren ihres Glaubens im engen geregelten Rahmen zugelassen hat. Und prompt paktiert Franziskus mit den Krummbuckeln der zugelassenen Kirche.
Einfach falsch gelesen
Aber wie kam die Linke überhaupt auf die Unverschämtheit, Jesus für sich zu reklamieren im Angesicht des auch durch sie riesig aufgetürmten und immer noch wachsenden Trümmerhaufens, den Walter Benjamins «Engel der Geschichte» sieht auf unserem Weg ins Paradies? Eine Linke, die so ziemlich jeden humanitären Begriff wie Brüderlichkeit oder Gerechtigkeit genutzt hat, um Berge von Leichen zu produzieren und besonders die Armen und Hoffnungslosen in die Irre zu führen.
Da wird, wenn es um die Flüchtlinge geht, immer wieder das Gleichnis vom barmherzigen Samariter zitiert von den kirchlichen Falschmünzern, diesen verschlagenen PR-Strategen mit ihrem selbstgerechten Pharisäertum, mit dem sie uns drängen, die «Mühseligen und Beladenen» aus aller Welt bei uns aufzunehmen.
Diese Typen haben ganz einfach falsch gelesen: Der Samariter kümmert sich persönlich um diesen Elenden, der geschlagen und blutend am Wegrand liegt. Er ruft nicht den Gesundheitsdienst an. Dann bringt er ihn persönlich zur Herberge und sorgt mit seinem eigenen Geld dafür, dass er dort gepflegt wird, bis er von seiner Reise zurückkehrt – und ruft nicht auf dem Marktplatz kaltschnäuzig nach kommunaler und staatlicher Hilfe nach dem Motto: Jetzt seid ihr dran!
Wie zynisch ist Heinrich Bedford-Strohm, dieser bleiche protestantische Bischof, in seinem Talar, der Schiffe zur sogenannten Seenotrettung im Mittelmeer ausstaffiert. Wohl wissend, dass er mit diesem Show-mässigen Anreiz viele Unglückliche erst aufs Meer lockt.
Und sein Freund auf der Seite der Katholiken, Reinhard Kardinal Marx, nutzt die Kanzel, um Kritiker seiner gleichgelagerten Ideologie öffentlich an den Pranger zu stellen und nach Art der schlimmsten Renaissance-Päpste mit Gottes Vollmacht Politik zu betreiben und AfD-Wählern das Christsein zu bestreiten.
Nein, Jesus war kein Linker. In seinen Lehrbeispielen wäre auch für einen Antikapitalisten verdammt zu oft von Geld die Rede. Ja, sie scheinen alle aus der Wirtschaft entlehnt, ob es um die Entlohnung im Weinberg geht, um die Freude über die Entdeckung der verloren geglaubten Drachme oder um jene Erzählung des verreisenden Herrn, der seinen Dienern Kapital in abgestufter Grösse hinterlässt.
Nach seiner Rückkehr kann ihm derjenige seiner Diener, dem er fünf Talente hinterlassen hat, stolz vermelden, dass er sein Kapital verdoppelt hat. Ebenso derjenige, dem er zwei Talente anvertraute. Den armen letzten Diener jedoch, der das ihm anvertraute eine Talent aus Angst vor Räubern vergraben hat, will er in die Finsternis werfen lassen, dorthin, wo Heulen und Zähneknirschen herrschen.
Kann es einen besseren Beleg dafür geben, dass Jesus für gesundes Wirtschaften, ja bei höheren Einsätzen sogar für gewinnbringende Spekulation zu haben war?
Und wie viel Sympathie er aufbringt für den reichen Jüngling, der ihn fragt, wie er das ewige Leben gewinnen kann! Jesus antwortet: «‹Was fragst du mich nach dem, was gut ist? Gut ist nur der Eine. Willst du aber zum Leben eingehen, so halte die Gebote.› [. . .] Da sprach der Jüngling zu ihm: ‹Das habe ich alles gehalten; was fehlt mir noch?› Jesus sprach zu ihm: ‹Willst du vollkommen sein, so geh hin, verkaufe, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm und folge mir nach!› Da der Jüngling das Wort hörte, ging er betrübt davon; denn er hatte viele Güter.»
Jesus hat Verständnis für menschliche Schwächen. Er spricht nirgends von Enteignung.
Nein, Jesus war alles, nur kein Linker.
Kämpfen Sie mit!
Wie Sie sicher gesehen haben, kommen meine Beiträge ohne Werbung aus. Daher: wer mich in meinem Kampf gegen eine dumpfe Linke, die auf Binnen-Is und Gendersternchen besteht, aber Morddrohungen nicht scheut, unterstützen möchte, besonders für allfällige gerichtliche Auseinandersetzungen, kann es hier tun.
1 Kommentar
Einen Kommentar hinzufügen Antworten abbrechen
Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.
Danke.