Der neue Papst kommt vom anderen Ende der Welt – und redet auch so. Die Kernanliegen seines Vorgängers wird Franziskus fortführen – schon heute beim ersten Angelus-Gebet in Rom. Kraftvoller und rücksichtsloser, als es Benedikt XVI. vermocht hätte.

Als ich hörte, dass der neue Papst Léon Bloy zitierte, den glühenden Katholiken und französischen Sprachkrieger, wusste ich, dass dieses Pontifikat in guten Händen ist.

“Wer das Diesseits anbetet, betet den Teufel an.” So ähnlich schrieb Bloy. Radikaler kann man gegen die Kultur des Relativismus und der hedonistischen Moderne nicht anformulieren.

Statt der lächelnden und zögernden Vernunfthelligkeit von Benedikt XVI. kommt nun mit Franziskus ein radikaler Gluthauch in die Weltkirche. Das irritiert schon jetzt. In der “Süddeutschen Zeitung” schrieb Heribert Prantl ahnungsvoll: “Die Radikalität des heiligen Franziskus ist zum Fürchten.” Damit meinte er zwar den Namenspatron, doch der neue Papst bemüht sich, ihm gerecht zu werden.

Seine erste Rede ist eine Zuspitzung der “Entweltlichungsrede”, die Benedikt in Freiburg gehalten hat, damals vor verschlossenen deutschen Ohren. Er verkündet die “arme Kirche”. Und da er ihr so ostentativ in der Armut vorangeht, wird wohl auch der deutsche Episkopat mit all seinen kirchensteuerfinanzierten bürokratischen Zentralkomitees und üppig subventionierten Reform-Stuhlkreisen einen Wintereinbruch erleben. Denn der Mann meint es ernst.

Gemeinsam in die Suppenküche

Ich möchte mich nicht rühmen – oder nicht mehr als nötig -, aber in meinem Roman “Die Apokalypse nach Richard” hatte ich es vorausgesehen.

Ich hatte nicht nur den Rücktritt unseres klugen deutschen Kirchenlehrers vorhergesagt, sondern auch, dass ihm einer vom anderen Ende der Welt folgen wird. Einer, der moraltheologisch und kirchenrechtlich so orthodox ist, dass die Riemen quietschen und dass sich die Zeit des Vorgängers im Rückblick wie die des Prager Frühlings ausnehmen wird.

Bei mir war es ein Chinese, nun ist es ein Argentinier. In der Sache ändert das nichts, meine prophetische Gabe ist bestätigt. Vielleicht versuche ich es demnächst mit den Lottozahlen.

Sicher, unser neuer Franziskus trug nicht die rote Mozzetta und den Hermelin bei seinem ersten Auftritt. Aber die innere Gestalt der Kirche ist ihm heilig, und die wird er neu befestigen, schützen und sichern.

Wie lustig doch unser deutsches Verständnis von einer Reform der Kirche ist. Gerade hat eine junge Theologiestudentin bei “Beckmann” unter mitfühlenden Blicken der Diskutanten (Prantl) von ihrem Brief an den deutschen Papst erzählt. In dem hat sie ihn gebeten, Priesterin werden zu können. Und nun kommt es: Benedikt hat nicht einmal persönlich, sondern nur durch ein höflich ablehnendes Formschreiben antworten lassen – was die Runde sichtlich außer Fassung brachte.

Ich stelle mir Franziskus vor. Er würde dem Mädchen wahrscheinlich vorschlagen, nicht in Talkshows zu gehen, sondern – womöglich mit ihm zusammen – eine Suppenküche zu bedienen, um auf andere Gedanken zu kommen und sich in den franziskanischen Tugenden der Demut und der tätigen Nächstenliebe zu üben.

Was macht man jetzt als Linker?

Wie steht er denn nun zu anderen Kardinalfragen unseres deutschen Kirchenverständnisses? Ich traf einen schwulen Verlegerfreund auf der Buchmesse, der sehr angetan und strahlend von der Einfachheit des Mannes auf dem päpstlichen Balkon sprach, seinem schlichten “Buona sera” und all diesem Zeug mit der Armut. Aber “er mag ja leider die Schwulen nicht, da redet er ja fürchterliches Zeug”.

Tja, eigentlich redet er so davon, wie am anderen Ende der Welt geredet wird. Zumindest was die Ehe zwischen Schwulen angeht, die er für “Teufelszeug” hält und sich deswegen von seiner argentinischen Präsidentin einen “Inquisitor” nennen lassen musste.

Aber was macht man nun als linker Schwuler? Will man diesen Franziskus als Anwalt der Armen auf dem Petri-Thron und toleriert dafür seine durchaus als schwulenfeindlich interpretierbaren Äußerungen? Oder ist das Wohlergehen der Armen dann doch der politisch korrekten Linie zur Gleichgeschlechtlichkeit nachgeordnet?

Wie überhaupt gehen Grüne mit diesem Papst um, der – wie Franziskus – die Achtung der Schöpfung über alles stellt, aber deshalb auch den Schutz des ungeborenen Lebens ernst nimmt und in Sachen Abtreibung nicht mit sich reden lässt?

Wird so einer, der ja den kurialen Glanz auf den ersten Blick so herrlich spröde verweigert, nicht das bürgerlich-linke Boheme-Milieu doch auf die Dauer nerven in seiner Unbedingtheit?

Glaube im Zentrum

Er hat schon jetzt klargemacht, was er von der Befreiungstheologie hält, der jüngst irgendeiner in der Welt in einem linksradikalen Schwächeanfall nachgeweint hatte: gar nichts. Wenn die Kirche nur eine sozialrelevante Wohlfahrtsorganisation wäre, müsse man sie nicht erhalten, denn darum kümmern sich andere auch. Nein, diese Kirche muss den Glauben in das Zentrum ihrer Tätigkeit rücken, muss, um das Wort Benedikts aufzugreifen, zur “ecclesia militans” werden.

Diese Kirche wird das Wort Gottes verbreiten und verkünden, und nicht das kommunistische Manifest. Wegen seines Bloy-Zitats – “Wer nicht zu Gott betet, betet zum Teufel” – möchte ihn “Welt”-Kolumnist Richard Herzinger am liebsten wegen Volksverhetzung angezeigt wissen, da er alle Ungläubigen beleidige. Da die aber wiederum weder zum Teufel noch zu irgendwas beten, haben sie wohl keinen Grund, beleidigt zu sein.

Das also wäre, in einer Welt der schreienden Ungerechtigkeit und der Egoismus-Religion, die Bekennerkirche des radikalen “poverello”, des Mannes in Sandalen auf dem Petri-Thron. Es ist ungefähr das, was Bendeikt XVI. in seiner Enzyklika “Caritas in veritate” beschrieben hat.

Ach ja, die beiden werden sich in Castel Gandolfo treffen.

Ich freue mich auf dieses Pontifikat.

Erschienen am 17.03.2013 www.spiegel.de