Da sollten sich die Verantwortlichen des Schirmer/Mosel Verlag warm anziehen.

Auf dieses Buch müsste eine Fatwa ausgerufen werden, wenn alles nach rechten, d.h. derzeit linken Dingen zuginge, und es könnte jedes folgende Vergehen gegen den Verlag rechtfertigt. Der Grund: Schönheitismus, Weiblichkeitismus. Die Frau als sexuelle Beute, blond, üppig und Verweise auf die Nazizeit ließen sich leicht herstellen…

Aber wie sie leuchtet, Maryilyn Monroe, noch sechzig Jahre nach ihrem Tod. Und wie mit ihr eine verschollene Form von Weiblichkeit aufstrahlt, die ihren Geschlechtsgenossinnen nicht erst heute die Zornesadern schwellen lässt, denn sie ist leise und verletzlich, sie verführt und möchte beschützt werden! Wie altmodisch, wie frisch, wie stark.

Schon das Foto, das sie mit der jungen Queen Elizabeth II. zeigt zur Audienz nach der Premiere des Films „Der Prinz und die Tänzerin“ – die junge Königin strahlend und aufmunternd, und sie, Marilyn, schon müde Königin eines Phantasie-Reiches, aus dem sie hinübergrüßt, huldvoll auch sie und scheu und leicht belustigt über dieses Zeremoniell.

 

Tatsächlich ist ihr Gesicht das einer Ikone, einer weltlichen. Wie eine solche wird sie mit immer gleichem Antlitz gezeigt: halb geöffnete Lippen, gesenkte Lider und ein Lächeln aus der Höhe ihrer Schönheit, ihrer weiblichen Verführungskraft. Dieses Porträt des Fotografen Frank Powolny verwendete Andy Warhol für seine Siebdruckserie – die Version „Shot Sage Blue Marilyn“ wurde in diesem Jahr auf einer Aktion in New York für 195 Millionen Dollar ersteigert. Und es ziert, in Chrom, den Bildband „Silver Marilyn“, den der Schirmer/Mosel Verlag nun erneut auflegt.

Als der Verlag 1989, also am Ende des Spaßjahrzehnts im Pop, zum ersten Mal „Silver Marilyn“ herausbrachte, diesen Prachtband über das erotische Frauen-Idol der fünfziger Jahre, war die Welt eine andere: Sie war mit dem politischen Freiheitstaumel nach dem Fall der Mauer und der Auflösung des Ostblocks beschäftigt, und ein Bildband über Marilyn Monroe, diese Überdosis an Weiblichkeit und Verlangen, wurde noch nicht als Provokation wahrgenommen.

Das liegt heute anders. „Silver Marilyn“ mit seinen Fotos von Avedon bis Weegee und Bert Stern ist das politisch Inkorrekteste, was heutzutage in die Auslage geraten kann: sexistisch, ausbeuterisch, heteronormativ auf überwältigende Weise.

Ja, beim Durchblättern dieses lange vergriffenen und nun neu aufgelegten Prachtbandes fühlt man sich an eine Zeile aus Harold Brodkeys Kurzgeschichte „Innocence“ erinnert: „To see her in sunlight was to see Marxism die“ – Sie im Sonnenschein zu erleben war wie den Marxismus sterben sehen.

Ihr Verführungsspiel fand seinen Gipfel in Billy Wilders „Some like it hot“, wo sie als platinblonde Sängerin Sugar dem Hochstapler Tony Curtis beweisen will, dass er nicht impotent ist – nur eine Pointe unter vielen weiteren. (Eine eher missratene lieferte Tony Curtis anschließend, als ein Reporter wissen wollte, wie es war, Marilyn Monroe, das Sexsymbol des Jahrhunderts, zu küssen. Er antworte: „Es war als hätte ich Hitler geküsst“)

Der Film, die beste Filmkomödie der Geschichte, Billy Wilders erfolgreichster Film, war gleichzeitig ihre Apotheose – seine Pointe ist, dass die naive Sugar Kane, ihr Film-Ich, hereingelegt wird und schließlich doch gewinnt.

Oh ja, es war nicht leicht für Billy Wilder: Mal erschien sie Stunden zu spät am Set, mal überhaupt nicht, sie erlitt Nervenzusammenbrüche, doch Wilder hielt an ihr fest und sagte, sie sei wie eine Virtuosin, die nur einen einzigen Ton spielen kann – aber den so vollendet wie niemand sonst.

Ihr Leben, aus dem sie in einem wunderbar offenen, ungeschützten Interview mit Georges Belmont erzählt, wirkt, als sei sie aus dem rührseligsten Charles-Dickens-Roman in die Welt gestolpert. Eine Waise wie Little Nell aus „The Curiosity Shop“, die beim Großvater aufwächst und mit ihm durch eine unbarmherzige Welt zieht, schön und merkwürdig keusch und beflissen, sanft und hilflos.

Jane Russell, ihre Filmpartnerin, erinnerte sich daran, wie sie einmal während der Dreharbeiten des Musicals “Gentlemen prefer Blondes” von Howard Hawks sagte: „Wenn man nicht anständig und freundlich zu mir ist, kann ich immer noch gehen. Ich kann mit sehr wenig auskommen. Das habe ich schließlich vorher auch getan.“

Tatsächlich konnte sie das. Und womöglich konnte sie nur deswegen so überzeugend und auftrumpfend ihr “Diamonds are the Girl’s best friend” singen, umringt von Männern im Smoking, in einer Kulisse wie eine pinkfarbene Bombonniere

The French are glad to die for loveThey delight in fighting duelsBut I prefer a man who livesAnd gives expensive jewels

das alles gut dreißig Jahre, bevor die vulgäre Nervensäge Madonna dieses Spiel von aller Ironie und Poesie befreite und ihr Material Girl dagegen setzte:

They can beg and they can pleadBut they can’t see the light (that’s right)‘Cause the boy with the cold hard cashIs always Mister Right

Mayrilyns Vater starb vor ihrer Geburt, auch wenn die derzeitige Netflix-Serie “Gold” über ihr Leben anderes behauptet, die Mutter war schizophren, sie durchlief Pflegefamilien und Waisenhäuser, sie Modell und Komparsin zunächst und hungerte sich durch – bis sie dann hinaufkatapultiert wurde, und diese 17 Jahre lange Leuchtspur zog am Sternenhimmel Hollywoods und durch die Träume des männlichen Publikums.

„Silver Marylin“ zeigt die Entwicklung eines seiner selbst unsicheren Teenagers zum Weltstar in Bildern. Es ist David Conover, ein Armeefotograf, der von seinem Vorgesetzten, einem gewissen Ronald Reagan, den Auftrag erhält, junge hübsche Frauen zu Werbezwecken in kriegswichtigen Produktionsbereichen zu fotografieren. Doch dann wird der ungarische Fotograf André de Dienes auf das fröhliche Mädchen mit umwerfendem Lachen und den kastanienbraunen Locken aufmerksam und liefert die ersten Serien mit ihr.


Er engagiert sie für 100 Dollar die Woche. Er fotografiert sie für die Werbung, sein Kollege Tom Kelly produziert freizügigere Session in seinem Keller auf einer roten Stoffbahn und bestückt einen Pin-Up-Kalender mit den Aufnahmen. Sie rührt die skandalisierte Öffentlichkeit später damit, dass purer Hunger sie dazu getrieben hätte.
Kurz darauf schmückt eines davon, die barbusige Marilyn auf rotem Samt, das Cover des neugegründeten Playboy-Magazins. Und aus den rötlichen Haaren werden blonde und schließlich platinweiße wie bei der von ihr verehrten Jean Harlow.


Den Fotos sind ausführliche Bildlegenden beigegeben, und in einer lesen wir eine sehr kluge und genaue Beschreibung des Phänomens Marilyn von Lawrence Olivier, mit dem sie in dem Film „Der Prinz und die Tänzerin“ spielte.
Olivier: „Sie hatte Angst vor dieser Arbeit, und obwohl sie unzweifelhaft Talent besaß, glaube ich, dass sie in ihrem Unterbewusstsein einen heftigen Widerstand gegen das bloße Ausüben des Berufes einer Schauspielerin verspürte. Auf der anderen Seite war sie ganz geblendet von dem Mysterium als solchem und glücklich wie ein Kind, wenn sie photogaphiert wurde. Das Geschäft, ein Star zu sein, beherrschte sie spielend, mit fast unheimlicher, aber offensichtlicher Leichtigkeit.“

Und diesen Flirt, diese Liebesbeziehung mit der Kamera dokumentiert fast jede der hier präsentierten 152 Fotografien aus den Jahren 1945 bis 1962. Seien es die Szenen mit Groucho Marx oder die aus „Gentlemen prefer Blondes“ in dem Kleid aus Goldlamee, oder in jenem fast durchsichtigen, das sie als Sugar Kane trug, das in silbernen Tropfen ihre Körperrundungen herabrieselt.

Selbst auf Schnappschüssen ergreift sie das Herz, wie jenem, auf dem sie sich die Tränen aus den Augenwinkeln tupft, nachdem ihr Anwalt die Scheidung von Joe di Maggio bekannt gegeben hat.


Selbstverständlich der Auftritt mit der schneeweißen Chinchilla-Stola, als sie am 19.5.1962 im Madison Square Garden für Präsident John F. Kennedy „Happy Birthday“ hauchte, mit großer, ja geradezu enthüllender sexueller Anzüglichkeit – die beiden sollen ein Verhältnis miteinander gehabt haben. Kennedy bedankte sich mit den Worten: „Nach einem so lieblich und wohltuend gesungenen Happy Birthday kann ich mich getrost aus der Politik zurückziehen.“
Da waren zwei Im Scheinwerferlicht, über denen das Schicksal bereits die Todesschwingen ausgebreitet hatte – Marilyn nahm sich drei Monate später mit einer Überdosis Schlaftabletten das Leben, der jugendliche Präsident wurde anderthalb Jahre später in Dallas erschossen.


Das Foto mit ihrem dritten Ehemann Arthur Miller zeigt ein Paar, das sich gefunden hat. Vor ihrem New Yorker Haus geben sie bekannt, dass sie heiraten wollen, die aufregendste Frau des Landes und dessen erfolgreichster Dramatiker. Marilyn, in züchtig langem schwarzen Rock und hochgeschlossener Bluse, lehnt sich an Miller wie an einen Baumstamm, entschlossen, nur noch brave Hausfrau zu sein und für ihren Mann zu kochen.

Bei einem Abendessen in kleiner Runde in Connecticut habe ich Arthur Miller kennengelernt, er kam gerade vom Holzhacken. Er dampfte förmlich vor Virilität, als er eintrat, er war unbestreitbar, noch hoch in seinen 80ern, „the all american male“.
Er erzählte von seinen Proben des „Handlungsreisenden“ in China, wir diskutierten Kommunismus und Kapitalismus, es war kurz nach dem Mauerfall, er war neugierig auf die Geschichte meiner Frau, die aus der DDR kam, er war ein Linker von der klugen Sorte…und dann sprach er mit großer Zärtlichkeit und noch größerem Respekt von Marilyn, von ihren Bemühungen um Bildung, von ihrer großen Fantasie und ihrer Verletzlichkeit, schwärmte von ihrer Schönheit, von den Büchern, die sie las, er hielt sie für intelligenter als sie sich selber, aber das Zusammenleben sei zunehmend schwierig gewesen, womöglich spielte die schizophrene Erkrankung der Mutter eine Rolle.


Berühmt das Foto, das sie zwischen Obstbäumen bei der Lektüre von Joyces „Ulisses“ zeigt aus jenen Tagen ihrer Ehe mit Arthur Miller. Sie hatte einen Intelligenzquotienten von 168, etwa die Region Albert Einsteins.

Marilyn Monroe, die Diva, ist unsterblich und sie wird bleiben in unseren Träumen, schillernd, denn gleichzeitig blieb sie jenes schützenswerte Waisenkind, das klagte: „In Hollywood zahlt man dir 1000 Dollar für einen Kuss und 50 Cents für deine Seele. Die Tugend eines Mädchens ist hier weit weniger wichtig als ihre Frisur.“
Was für ein bezaubernder Zwischenton in dem lärmenden Sex- und Opfergequassel unserer Tage. Wie emanzipiert!

Eine wie sie wird die Gender-Ideolog*Innen mit ihren Knacklauten erst recht auf die Palme bringen, eben weil die sich daneben plötzlich ausnehmen wie eine Horde unmusischer Steinzeit-Trottel.

 

Silver Marilyn: Marilyn Monroe und die Kamera. Fotografien 1945-1962. Schirmer/Model. 248 S., 29,80 Euro

 

 

 

 

 

 

 

 

 



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