Christian Ulmens neue Show “Who Wants to Fuck My Girlfriend?” soll sexistisch sein? Frauenverachtend? Unsinn, bei ihm sehen nur Männer mies aus. Mal abgesehen von der ersten Sendung. In der geht es um Frauen, “die die Geschlechtsteile anderer Frauen lieben”. Was für ein Auftakt.
Das darf doch nicht wahr sein! Was hat die Leute bei Tele 5 geritten, eine solche Show ins Programm zu nehmen? “Who Wants to Fuck My Girlfriend?”
Geht’s noch?
Ein Shitstorm im Vorfeld, buchstäblich: Die Reaktionen reichten in etwa von “Scheiße” über “widerliche Scheiße” bis “Kackscheiße”. Am Donnerstagabend um 23.10 Uhr wird der Vorhang aber nun gelüftet – und selbst der letzte Empörer wird erkennen müssen, dass er einem sehr klugen und brechend komischenpractical joke aufgesessen ist.
Durch die Sendung nämlich führt Uwe Wöllner, zweiter Vorname: Peinlich. Er ist der Alptraum aller Sozialpolitiker, das Ideal jeder Reality-Show, der vorläufig nicht mehr unterschreitbare Tiefpunkt des Niveaus, ein abstoßender Mischmasch aus Entgleisung und sexistischer Naivität. Und vor allem: eine hinreißend-milieugenaue Kunstfigur.
Christian Ulmen, 37, Grimme-Preis-Träger, Bayerischer-Fernsehpreis-Träger, hat sich den Uwe für andere Formate ausgedacht, vor Jahren schon. Mit ihm bedient er den Voyeurismus der Branche und stellt ihn gleichzeitig bloß. So bekämpft man Feuerwalzen am wirkungsvollsten – mit Feuer.
Ein Blick auf Busen oder Hintern? Punkt!
Uwe ist das Findelkind Kaspar Hauser. So wie der aus der Stille kam – “Stille fand sein Schritt die Stadt am Abend” (Trakl) -, kommt Uwe aus dem Lärm, also aus einer anderen Isolation. Er ist kein Naturbursche, sondern ein Kunstbursche aus dem Treibhaus Unterhaltungsfernsehen.
Und seine Show könnte nicht schöner in diese Tage passen, in denen eine hysterische Sexismus-Debatte den nationalen Notstand ausgelöst hatte. Zwei Männer schicken ihre Freundinnen ins Rennen und setzen sie dort aus, wo sie Begehrlichkeit wecken könnten. Also praktisch überall. Zum Beispiel in einer Imbissbude. Schiedsrichter im Kontrollraum überwachen die gierigen Blicke all der anderen Männer und zeichnen sie nach auf dem Monitor wie Spielzüge in der Bundesliga-Analyse. Jeder Treffer auf Busen oder Hintern wird mit Summ-Ton und Punkt belohnt.
Selten hat man Lustigeres gesehen. Hungrige, traurige, taxierende Blicke, von Alt und Jung und Schwarz und Gelb. Und die Blicke der begleitenden Frauen auf die vermeintlichen Konkurrentinnen – giftzischende Pfeile. Das Zwischenhirn übernimmt. Busen, tuut, Hintern, tutut, Konkurrenz, zisch!
Wir sind also in einem gigantischen Mario-Barth-Witz gelandet. Wir müssen, deprimierend genug, erkennen: Männer sind so. Und offenbar ist kaum jemand davor gefeit. Berühmt die Anekdote, da Theodor Adorno an einer Fußgänger-Ampel seine Frau Gretel mit dem Spazierstock ein wenig zur Seite schob, um die Blickachse freizulegen auf eine attraktive junge Frau.
“Die Geschlechtsteile anderer Frauen”
Doch wir dürfen erkennen: Auch Frauen sind so! Zum Show-Start nämlich hat Ulmen sein Konzept leicht abgeändert. In der ersten Show heißt es: “Who Wants to Fuck My Lesbian Girlfriend?”
Ein herrlicher Schachzug. Denn wer will da jetzt noch das Wort “frauenverachtend” gegen die Show in Stellung bringen? Uwe, der Ahnungslose, lässt sich also ganz lieb von der gepiercten Janine darüber aufklären, dass Veganer was anderes sind als Lesben, und nimmt überrascht zur Kenntnis, dass die Kandidatin Stephanie die Feministin Alice Schwarzer schon deshalb Margot Käßmann vorzieht, weil sie Letztere nicht kennt.
Dann lässt er Janine “ihre Olle” aus der Kulisse rufen und hat trotz seines ratlosen Grinsens diesen oft gehörten Verstehersound voll drauf: “Is ja völlig normaaaal alles, echt saugoil”, sagt er, “wir sehen das heute Abend hier mit Herzenswärme, das sind halt Frauen, die die Geschlechtsteile anderer Frauen lieben.” Das eben versteht der Uwe unter Liebe.
Zum Auftakt dürfen wir zudem erleben, dass sich Frauen, die Frauen anmachen, genauso kaltschnäuzig und dämlich dabei anstellen können wie Männer. Ist doch schön zu sehen, wie die Kandidatinnen in Restaurants oder Bars mit den verlogensten und lustigsten Gesprächseröffnungen auf Partnerfang gehen, wie sie auf sexuelle Präferenzen abscannen, auf Tauglichkeit als Beute.
Sie spielen mit, diese Frauen, mit der allergrößten Bereitschaft, dem allergrößten Humor. Etwa, wenn sie sich als Forscherinnen ausgeben, die mit ihren Probandinnen einen immer lüsterner werdenden Fragekatalog abarbeiten. Und natürlich schlägt das Herz für die Kandidatinnen!
Was für ein merkwürdiger Zwitter aus launigem Spiel und böser Realsatire.
Anschauen.
Und das gilt auch für ein sehr sorgenvolles Gespräch über dieses sexistische Format, das der Autor dieses Textes mit Uwe Wöllner über Skype führte.
Erschienen am 14.02.2013 www.spiegel.de
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