Lieber Harald Schmidt,

Fabelhaft, ganz kolossal, wie Du das Sommerfest der Weltwoche überragt hast, gutgelaunt Leuchtturm links hinten, bei den Loorberbäumchen, die dir bis zum Gürtel reichten, du standest da neben mir, dem schwitzenden Dicken an diesem mörderheissen Abend, Züri brannte, du provozierend schlank und durchtrainiert, aber doch vor  allem die beruhigende Konstante aus einer Zeit, die ihre Nüsse noch zusammen hatte und man einen guten  Polenwitz oder einen Kalauer über den Führer noch zu schätzen wusste.

Mittlerweile heißt es bei Wiederholungen deiner Sendungen, „enthält Passagen, die heute als diskriminierend betrachtet werden.” Wer da was wie betrachtet, scheint dir nach wie vor erfrischend wurscht zu sein, wie du jüngst an einem FAZ-Empfang bewiesen hast, als Du die Minuten für einen verspäteten Kanzler zu überbrücken hattest und bekanntest, dass in deinem Wahlomat-Profil immer 50 Prozent AfD herauskäme und 50 Prozent Grüne. “Man stelle sich vor: 50 Prozent Grüne”, fuhrst du fort, “wie soll ich das meinen Freunden erklären?” Das Gesicht des gepflegten FAZ-Moderators entgleiste, und du lachtest fröhlich in die dann doch gequälten Stuhlreihen hinein. “Sone Chance kriegst du selten, 500 Leute und keiner durfte raus”, sagtest du mir auf dem Fest, und ich sah das Vergnügen dort oben in deinem Gesicht noch nachleuchten.

Klar, große Chance! Aber es gibt keinen mehr, der sie so eiskalt verwandelt.

Und wie heilsam so eine Portion Zynismus sein kann. Vor 30 Jahren hattest du mich mal auf einen Sprung in New York besucht, mir war an dem Tag zum Heulen, du bist gar nicht drauf eingegangen, sondern hast mich einen ganzen langen Nachmittag mit deinen Inge-Meysel-Parodien unter den Tisch gelacht damals im Tavern in the Green.

Memo an mich: nimm dich nicht so ernst. Aber auch die anderen nicht, besonders nicht die in unserer Branche.

Daran fehlt es in unserer Kultur der Wehleidigkeit heutzutage ganz erheblich.

 

Dein

MM