Hier oben an der See scheint die Welt noch in Ordnung. In der Kirche Stella Maris in Kappeln hängt noch der Ährenkranz vom Erntedankfest neben dem Altar, die Sonne wirft farbige Kleckse durch Kirchenfenster und der Ort an der Schlei, zum ersten Mal urkundlich erwähnt 1391, strahlt im Goldenen Oktober und auf dem Pflaster-Gässchen sind Familien unterwegs, und längst nicht alle tragen diesen Lappen im Gesicht, hier ist die Hysterie fern, aber im Rest Deutschlands….?

 

 

Kanzlerin Merkel droht mit der Bundeswehr; der RKI-Chef schlägt innerstädtische Absperrungen vor; in Essen gibt die Stadt über Internet Bögen zur Denunziation von Corona-Verstößen aus, denn alles muss seine Ordnung haben, merken wir eigentlich noch was?

In Brandenburg wird eine Familie, die Urlaub macht, anonym denunziert; Söder, der üble fränkische Vogt, will die „Zügel anziehen“, ich schlage hier vor, dass er demnächst seine Maske grüßen lässt wie man einst den Gessler-Hut zu grüßen hatte, wobei das ja jetzt schon der Fall ist, oder will einer behaupten, dass Söder mehr ist als nur eine Charakter-Maske im Marx’schen Sinne, ein Vertreter seiner Kaste, der schwarze Sheriff aus dem Süden, der Brutalokarrierist, der das masochistische Verhältnis der Deutschen zur Staatsautorität verkörpert wie kein zweiter: je autoritärer die Politiker auftreten, desto inniger wird ihnen der Stiefel geküsst…

*

Was ist nur los in diesem Land? Der Fall Monika Maron https://www.matthias-matussek.de/ohne-helden-werden-wir-nicht-auskommen-der-fall-monika-maron/

zeigt vor allem Eines: Da wirkt nicht nur der widerliche Triumphalismus der Westdeutschen Linken durch Steinmeier, Joschka Fischer und Konsorten nach, sondern die ebenso widerliche Wiederkehr des Ostdeutschen SED-Totalitarismus durch die Erste FDJ-Sekretärin im Lande aus dem SED-Jasager Milieu, sowie den Berliner Demoverbots-Innensenator Geisel, einst SED, jetzt SPD, und weiter den SED-Heini Lederer, der den Stasi-Aufklärer Hubertus Knabe zur Aufgabe mobbte – die Reihe lässt sich fortsetzen!

Beide Seiten, West- und Ost-Linke, haben innerhalb der Regierungszeit Merkels die demokratischen Spielregeln versaut. Warum musste sich das Schlechteste aus zwei Welten hier verbrüdern?! Mein FB-Freund Rainer Gebhardt, Ossi, postet auf FB: da bist du den Wölfen entkommen und wirst jetzt von Läusen aufgefressen…Der Spiegel schreibt über Maron, sie sei in den „letzten Jahren durch rechte Positionen auffällig geworden…“ wahrscheinlich merken die Zuträger dort drüben selber gar nicht mehr, was sie da tun

*

Ein Bericht der FAZ über die Frankfurter Buchmesse: das Echo der Schritte in den leeren Hallen, das „Nichten des Nichts“, Geisterlesungen mit mir unbekannten Autoren und Denis Schecks Schuhsohlen, alles ganz nett und gruselig, allerdings fehlen die Worte „Monika“ und „Maron“, die tatsächlich abgründigsten des derzeitigen Literaturbetriebs, schade, ich hätte gerne wieder meine Freunde auf Joachim Unselds Party getroffen, Martin Mosebach, Rüdiger Safranski, Armgard Seegers und ihre Tochter Laura, auch Jan Fleischhauer…

 

Ich sollte inzwischen gelernt haben, mich zu beherrschen, aber vorgestern platzte ich vor Wut und musste es gleich auf FB rauskotzen: ich hatte auf Instagram das Foto entdeckt, das Jan gepostet hatte mit seinem neuen Buch, einem Recycling seiner Kolumnen unter dem Titel „How dare you“ Untertitel:  „Der Vorteil, eine eigene Meinung zu haben“, und auf dem Cover sein grinsendes Konterfei, frivol!

Ich Depp. Hätte mich beherrschen sollen. Schließlich gibt es das Tagebuch, dem ich mich anvertrauen kann, ein wunderbare Medium der Selbstentblößung, zum Dampfablassen…Marcel Reich-Ranicki kritisierte mal eine Autobiographie, die Privates weitgehend aussperrte, mit den Worten: Eine Striptease-Tänzerin, die Hemmungen hat, sich auszuziehen, hat ihren Beruf verfehlt. Also weg mit den Klamotten, vielleicht ist das Private ja wieder politisch…

Na ja, jeder ist wie er ist, und Jan ist eben so. Ich wäre nicht 30 Jahre lang mit ihm befreundet gewesen wenn er nur Arschloch wäre.

Aber dass er sich nach meiner Geburtstagsfeier von mir so demonstrativ distanzierte wie Reinhold Beckmann, nachdem sich beide bei mir königlich amüsiert hatten, das hat ihn so klein gemacht. Ende einer Freundschaft aus politischen Gründen. Er schrieb folgsam im Spiegel, dass er mich politisch schon immer für blind gehalten habe und meine Rede auf dieser Demo gegen Merkel, immerhin gegen verdammte 10 000 Antifanten, habe bewiesen, dass ich „ein Fall für die Klapsmühle“ sei.

Nun hatte er, was ich nicht wusste, in jenen Tagen mit dem Focus über einen lukrativen Vertrag verhandelt und wollte sich distanzieren. Ja ja, „Vom Vorteil, eine eigene Meinung zu haben“ – deine Mudder! Er hat sich schon immer wesentlich geschickter durchlaviert als ich, und eben „den Vorteil“ erkannt, nämlich Kapital aus seiner salonhaften Dissidenz zu schlagen. Er kann sich eben benehmen. Er demonstriert mit abgestrecktem kleinen Finger.

 

Mann, wir waren eng, unsere Kinder wuchsen gemeinsam auf, er war mit Familie bei uns in Rio zu Gast und feierte mit uns an der Copacaban Sylvester, ganz in weiß wie es die Sitte ist, , ich besuchte ihn in den USA und half ihm mit seinen Reportagen, da längere Texte nicht sein Ding waren, seine Spezialität war eher die notorisch bekannte Spiegel-Nachrichten-Geschichte über drei kurze Spalten in der notorischen gehässigen anmaßenden Spiegelsprache, die Enzensberger schon in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts auseinandergenommen hatte, eigene Meinung, ich lach mich schief, Jan… wir haben so viel gemeinsam erlebt, beruflich privat, ich war mit seiner Ex-Frau befreundet lange bevor er sie kannte und bevor ich die Liebe meines Lebens traf, er zitierte mich, ich zitierte ihn, denn seine leidenschaftslose Analytik mochte ich – und da nennt er mich öffentlich einen Dummkopf! Nachdem er auf meiner Geburtstagsparty gesprochen und mich gerühmt hatte, war ich plötzlich der Idiot, als alle über mich herfielen: die Zeit, die Bild, Sigmar Gabriel, Böhmermann, die Antifa sowieso, „eigene Meinung“, ich lach mich schief, wo sitzt die denn bei dir, im Magen? würde jetzt Gottfried Benn sagen, er hatte Spaß auf meiner Party, bis das Frettchen Böhmermann das Fass aufmachte, noch in der gleichen Nacht über FB, weil ich neben Jan und anderen Freunden vom Spiegel einen weiteren buddy eingeladen hatte, Mario, einen netten Kerl von den Identitären, mit dem ich durch Syrien gereist war und für eine Hilfsaktion der IB die Flüchtlingslager im Libanon besucht hatte, dieser Mario hatte sich mal gegen die Linksradikalen gewehrt, war verurteilt worden in Bremen, wo sonst, wegen „provozierter Notwehr“…nun ist er als vorbestraft gebrandmarkt, chancenlos, und im Überwachungsstaat ein politischer Virenträger, ein Superspreader, wo die Kontaktschuld gilt, Jan hätte sich mit ihm mal unterhalten sollen, ich glaube, er hat das sogar selber gesagt irgendwann später in einer Phönix-Runde, selbstkritisch, Jan, du Idiot, aber das bleibt ja hier alles unter Verschluss…

Mario hat einen sehr coolen Vater, Ingenieur, bürgerlich, ich war mit beiden in „Once upon a time in Hollywood“, wir haben an den gleichen Stellen gelacht, das ist für mich immer der Nichtarschloch-Nachweis, natürlich ist Mario nicht rechtsradikal, vielleicht war er‘s mal, aber er lässt sich von den Antifa-Schlägern nichts bieten…ich glaube nicht an Kontaktschuld und davon abgesehen sowieso und überhaupt an eine zweite Chance für junge Menschen, so wie ich nach meinen linksradikalen Anwandlungen in der Jugend auch ein zweite Chance bekam…Ich muss das Tagebuch nachher wegschließen, geht keinen was an…

*

Der Untertitel zu Jans Buch ist: „Der Vorteil, eine eigene Meinung zu haben“, schon klar, wenn man es macht wie du,  Jan…Besonders makaber wirkt dieser „Vorteil“ angesichts des Rauswurfs von Monika Maron durch den Fischer-Verlag. Sie wurde mit knapp 80 Jahren gefeuert, weil sie eben tatsächlich eine eigene Meinung hatte, die ihr NICHT zum Vorteil gereichte.

So wie damals ihr kritisches Buch „Flugasche“ in der DDR unterdrückt wurde und sie zu Fischer kam, wo sie vierzig Jahre lang – mit Erfolg und unter Beifall der Kritik – veröffentlichte.

Diese bleibt jetzt merkwürdig stumm, das Pack steht geradezu verlegen zurück, das Rezensionsgewerbe, das schon von Balzac in den „Verlorenen Illusionen“ auseinandergenommen wurde, die Branche, ertappt in ihrer Feigheit und Verschlagenheit, weil sie weiß, sie hat die Monika Maron auf dem Gewissen, Julia Encke aus der FAS, ich war mal befreundet mit ihr, dann dieser intrigante Kämmerlings in der Welt, die Berliner Zeitung und ihre Redakteurinnen, ja, es waren insbesondere Frauen, die sie abschossen, und auch mit einer der beiden waren meine Frau und ich befreundet, früher, im Mesolithikum, also vor Merkel und dem Dunkeldeutschland.

Jeder war doch mal mit jedem befreundet in diesem Kulturirrenhaus, oder wenigstens ordentlich befeindet, was ist plötzlich passiert?

*

Der Unterschied zwischen Maron und Jan (jenseits der stilistischen Klasse)? Maron wurde von diesen Redakteurinnen der Berliner Zeitung gefragt, warum sie sich nicht von ihrer Freundin, der Verlegerin und Buchhändlerin Susanne Dagen distanziere, von Susanne also, die früher (Mesolithikum) mehrmals als Buchhändlerin des Jahres ausgezeichnet worden war und die einen Band mit Essays ihrer Freundin Maron herausgebracht hatte und nun unter Rechts-Verdacht geraten war, weil ihre Bücher von Götz Kubitschek vertrieben werden?

Die heutzutage wohl verblüffende Antwort Marons: „Ich grenze mich grundsätzlich nicht von Freunden ab, nur weil wir vielleicht unterschiedlicher Meinung sind.“

*

Unser Land ist am Arsch, runtergeranzt zu einer linken Müllbude wie die besetzte Mietskaserne Liebigstraße 34 in Berlin, diese Ruine, und jene andere, die mal ein Flughafen sein sollte, sie sind die abgebrochenen Twin Towers dieser linksgrünen Katastrophenstadt, die Wahrzeichen der Berliner Republik, die mit einem so großen Versprechen begonnen hatte in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts.

Eine Rutschfahrt in den Schrott in diesen 15 Jahren seit dem Sommermärchen 2006, der WM in Deutschland, seit Merkels Regierungsantritt.

*

Einige FB-Freunde meinten, besser die halbe Wahrheit im auflagenstarken Focus als die ungeschminkte beim auflagenärmeren Tichy, aber das gilt für mich nicht. Mir genügen ein Dutzend Leser, sei es in diesem Tagebuch oder wenn ich über Hölderlin schreibe und darüber, was er mit Pink Floyds „Shine on you crazy diamonds“ zu tun hat. Und wenn ich einen Fluglehrer wie meinen Freund Rüdiger Safranski an meiner Seite habe, und mit ihm aufbreche in diese Räume, diese Welten, ist alles in Ordnung

https://www.matthias-matussek.de/shine-on-you-crazy-diamond/

 

Oder wenn ich für die Weltwoche durch Rumänien fahre und mit dem Fallschirmjäger spreche, der Ceaucescu erschoss und mit dem einstigen Tennisstar Ilie Nastase und dem Popen in der Orthodoxen Kirche in Bukarest, und durch Siebenbürgen und Draculas Schloss besuche…

 

Unter Journalismus stellte ich mir immer Heinrich Heine oder Joseph Roth vor, schriftstellern und reisen und abenteuern und irgendwann den Literaturnobelpreis kriegen und nicht mit zusammengekniffenem Hintern im Büro sitzen und Meinungen absondern, auch wenn sie gefällig und süffisant formuliert sind, sicher, das auch, aber nicht nur, und ich glaube, ich habe die schönsten Jahrzehnte des Journalismus erlebt, ich hatte Glück.Hugh. Ich habe gesprochen.

*

Haben doch die Idioten von Panorama versucht, die AfD hygienepolitisch zu erledigen und waren sich nicht zu blöde, die von mir letzthin beschriebene Tagung der Alternativen Medien durch die großen Panorama-Scheiben des Tagungssaals zu filmen und zu entdecken, dass der Maskenpflicht nur lückenhaft nachgekommen wurde. Was logisch ist, denn Tagungsleiter Petr Bystron erklärte den verdutzten Panorama-Reportern, dass die AfD gegen die medizinisch völlig unsinnige Maskenpflicht klage, weshalb nun mit Maske aufzutreten doch wohl reichlich widersprüchlich sei.

Wobei, das sei hinzugesetzt, die Maske beim Gang durch die Stuhlreihen immer wieder angemahnt wurde angesichts der Panorama-Kameras draußen vor der Fensterscheibe. Dennoch müsste endlich klargestellt werden: wir werden das Virus auf Dauer nicht fernhalten können, es kommt nicht auf die Zahl der Infizierten an, sondern auf die der tatsächlich Erkrankten, im Übrigen: eine Maske schützt medizinisch allenfalls zu 10 Prozent, während sie an frischer Luft purer Humbug, dämliches virtue signalling und eher schädlich ist, denn sie hält die CO2-Produktion des eigenen Ausatmens vor der Nase fest.

Und die Medien unterstützen weiterhin den Panikkurs der Regierung, unterstützen Merkel, die über den Ausnahmezustand verfügt und dadurch nach der politischen Theorie Carl Schmitts klar macht, dass sie der Souverän ist, und Legislative und Exekutive vor aller Augen verschmilzt ohne dass es zu Protesten kommt, und nach wie vor und weiterhin werden die Ausnahmeverbote lediglich mit den Zahlen der Neuinfektionen begründet und nicht denen der tatsächlich Erkrankten, den einzig relevanten.

*

Zur AfD: Ich werde diese Partei, in der ich viele kluge Leute und Freunde traf, weiterhin unterstützen, und zwar aus Demokratie-politischen Gründen, auch wenn ich damit für manche nicht mehr clubable bin. Sie ist die einzige parlamentarische Opposition, die die Übergriffigkeiten der Regierung kritisiert und tatsächlich eine Alternative bietet zu einer Politik, die ich für ein Unglück halte. Im AfD-Programm werden basisdemokratische Reformen gefordert, was früher Sache der Grünen war, bevor sie sich verfettet auf die dunkle Seite der Macht geschlagen haben.

Die AfD fordert einen gesunden Patriotismus, fordert „Germany first“. Das erwarte ich schon von der Kanzlerin.

Im Übrigen hat sie in Gottfried Curio einen Redner, der in Temperament und rhetorischer Brillanz an frühere Kaliber wie Strauß, Wehner, Brandt erinnert und Milchgesichter wie Christian Lindner, der mal, das hatte ich mir von ihm erhofft, aus der FDP eine echte Oppositionspartei hätte formen sollen, statt eine Akklamationstruppe, wie einen Handyverkäufer aussehen lässt. Ach ja, gestern hat Jan über Instagram ein live-Gespräch mit ihm geführt, zwei politische Milchgesichter untereinander.

Zwei, die sich enorm von der AfD distanzieren, um sich nicht zu verbrennen, denn sie glauben an Kontaktschuld. (Siehe oben). Doch ich halte es für eine Unverschämtheit, wenn ein ehemaliger Linksradikalenkader wie Steinmeier behauptet, die AfD mache die „Menschenrechte und Demokratie verächtlich“. Das fließt dem einfach so über die Lippen, ungestraft,

Sicher gibt es Irre in dieser Partei wie den Touretter Lüth, der in einer ProSieben-Reportage als widerlicher Schwätzer mit Nazisprüchen überführt wurde, aber der ist ein Einzelner, für den sich alle schämen und der prompt rausgeflogen ist.

*

Ein Freund postet auf FB das Inhaltsverzeichnis des Spiegel. In der Rubrik Kultur, ein Trauerspiel, werden gerade mal vier Themen angeboten, und eines davon heißt: „Wie kann eine Ehe funktionieren, wenn sie stramm rechts ist und er eher links?“ Ein echtes Frauenjournal-Thema, das Private ist längst politisch geworden. Könnte in der Brigitte stehen. Ist aber, unter heutigen Bedingungen hochpolitisch.

Desweiteren: ein Interview über Beuys, dem die Nazijäger posthum auf den Pelz rücken, ich schätze, bei der nächsten Beuys-Werke-Schau wird es Kawalle geben. Und weiter in der Spiegel-Kultur: die erschütternde Wahrheit über Leni Riefenstahl, die nämlich „in der NS-Zeit rücksichtslos ihre Karriere verfolgte“. Ach was! Die Spiegel-Kultur – eine Außenstation des Antifaschistischen Kampfes des Blattes.

(Ich erinnere mich hier an ein Gespräch mit Ted Turner, dem CNN-Gründer hoch oben in seinem Wolkenkratzer in Atlanta, der Riefenstahl-Filme auf dem Couchtisch liegen hatte und von ihr schwärmte. Lauter Nazis!)

Ich stelle mir kurz das Grauen vor, hätte man mich damals nicht weggemessert, in Wahrheit nicht wegen meines aufbrausenden Temperaments, sondern weil ich einen strikt konservativen Kulturbegriff im Auge hatte, etwa mit einem 7-Seiten-Gespräch über die Hegels “Phänomenologie des Geistes” gelegentlich ihres Jubiläums, mit Sloterdijk und Safranski, oder Titel schrieb über Mozart, die Schönheit, die Todsünden, oder die Deutsche Romantik, oder dass ich mich einsetzte für die Elb-Philharmonie und den Wiederaufbau des Schlosses und das eher gegen das eigene Ressort durchsetzen musste, das seit Karaseks Abgang in linker Phantasielosigkeit vor sich hinmüffelte : die spätere Chefredakteurin Susanne Beyer plädierte dafür, dass man statt der repräsentativen Philharmonie doch den Blockflöten-Unterricht in den Arbeitervierteln wie Wilhelmsburg fördern sollte, und in Sachen Berliner Schloss versuchte sie, den Visionär Wilhelm von Boddien mit eibnem Artikel aus bösartigen Gerüchten aus dem Verkehr zu ziehen. Ich war misstrauisch geworden und forderte sie auf, in meinem Beisein über Lautsprecher ihre angebliche Quelle anzurufen, einen Anwalt, der sich dann an die von ihr zitierten Aussagen prompt nicht erinnern konnte.

Hätte ich aber nun bis heute den Niedergang der Spiegel-Kultur als Chef begleiten müssen, wäre ich verrückt oder anders krank geworden, Gottes Wege sind wundersam und stets das Beste für mich, auch wenn sie zunächst wie Demütigungen aussehen.

*

In der Post ein Heft zum Berliner Schlossbau. Was für eine Pracht! Und was für ein kluger Aufsatz von Peter Stephan über die „Metaphysik des Dienens“, ein Essay, der den „angeblichen Skandal um das Kuppelkreuz“ ins Licht rückt, denn darüber hatte es ja tatsächlich Streit gegeben. Über das Kreuz und die Kuppelinschrift, nach der im Namen Jesu alle die Knie beugen sollen, „die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind“. Darin sei ein Dominanzanspruch enthalten, der andere Religionen ausschließe.

Ach ja? Aber was denn sonst!? Wir nennen uns das christliche Abendland und nicht das islamische, hinduistische, laozistische. Wir haben dem Christentum neben anderem auch die Baukunst zu verdanken. Sagen wir es mit Chesterton: „Das Christentum mag in seinen Widersprüchen die orientalischen Religionen sogar übertreffen – aber es baut bessere Straßen.“

Und wie dieses Schloss tatsächlich zustande kam, als Vision des Landmaschinen-Verkäufers Wilhelm von Boddien. Ich rufe ihn an und beglückwünsche ihn. Über 100 Millionen hat er gesammelt, um seine verrückte und anfänglich aussichtslose Vision Wirklichkeit werden zu lassen: Nach der Wende hatte er die geniale Idee, einen Riesenprospekt zu spannen, auf den die Fassade des von den Kommunisten gesprengten Schlosses gemalt war. Sie hatten dort, leicht versetzt, einen hässlichen Klotz namens „Palast der Republik“ hingesetzt. Merke: Sozialisten hassen das Schöne, das Gewordene, die Tradition, denn sie halten sie für Ausdruck von rückschrittlicher Gesinnung.

Und wir durften träumen, Anfang der 90er, wenn wir an dieser Leinwand vorbeifuhren. Natürlich hatte die Idee eines Wiederaufbaus des Schlosses erbitterte Feinde. Man müsse die Wunde zeigen, die der Krieg gerissen habe, und man müsse sie sie offen halten, schrieb der damals noch nicht konservative Ulrich Greiner in der Zeit (auch er übrigens mein Geburtstags-Partygast). Was natürlich Blödsinn war, denn das Schloss wurde von den DDR-Kommunisten erst 1950 gesprengt.

Ferner: Man dürfe nicht fingieren. Und überhaupt: Ornament ist Lüge. Der ganze restlos trivialisierte Kram der Moderne-Theorien wurde von Feuilleton-Avantgardisten mit roten Brillenbügeln aufgefahren, um die Schlossbefürworter als Hinterwäldler und Deppen wegzufegen.

Und dann bekam ich die Gelegenheit, im Spiegel über die Sache zu schreiben. Besser: über die Brache, denn dort, wo das Schloss hin sollte, war damals nichts als hässliche Leere. Und ich wunderte mich anlässlich eines Empfangs dort, „dass keiner an dem Mangel würgt, den die gähnende Brache verkörpert, ein Aufmarschgebiet, das nur für Kolonnen schreiender Menschenmassen taugt und den totalitären Terror des Gewöhnlichen…“ Ich schrieb ein flammendes Plädoyer für den Wiederaufbau, und der Bauherr und Träumer Wilhelm von Boddien behauptet, dass dieser Artikel (damals hatte der Spiegel noch Wumms) die Sache ins Rollen brachte.

https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-7937888.html

Ich halte das für übertrieben, aber tatsächlich änderte sich der Ton der Debatte.

Und dann sprach er mich auf meine Geburtstagsfeier an, an der auch er teilnahm. Und wie fies die Berichterstattung darüber war und wie unmöglich die spätere Distanzierung von Reinhold Beckmann – offenbar hatte er die von Jan übersehen.

Aber zum Schloss: Heute steht es und wird golden gekrönt mit einem Kreuz. Wie fantastisch der Wille eines Einzelnen wirken kann!

*

Ein Spruch über das Alter, gefunden in einem Text von Botho Strauß, der den Schriftsteller Marcel Jouhandeau, einen Vertreter des renouveau catholique, zitiert: „Das Alter erscheint mir mehr und mehr nicht etwa als der düstere Vorhof des Todes, sondern als der große Urlaub nach der Überanstrengung der Sinne, des Herzens und des Geistes, die Leben hieß.“

Dann schaue ich auf die ruhige Ostsee und die weißen Wolkengebirge darüber im blauen Himmel und denke mir: stimmt!



Kämpfen Sie mit!

Wie Sie sicher gesehen haben, kommen meine Beiträge ohne Werbung aus. Daher: wer mich in meinem Kampf gegen eine dumpfe Linke, die auf Binnen-Is und Gendersternchen besteht, aber Morddrohungen nicht scheut, unterstützen möchte, besonders für allfällige gerichtliche Auseinandersetzungen, kann es hier tun.

Spenden

Sie haben lust auf mehr?

Unter dem folgenden Link finden Sie weiter Artikel.

Weiterlesen