In diesen Tagen hat der Bundeswahlleiter Briefe an die Wahlhelfer, Quatsch, die Wahlhelfenden (aller möglichen und unmöglichen Geschlechter) verschickt mit der frohen Botschaft, dass sie eventuell für die Vorzugsbehandlung einer Corona-Impfung in Betracht kämen sowie in den Genuss einer „Erfrischungspauschale“ von 25 Euro.

Dass hier nun von „Wahlhelfenden“ die Rede ist, liegt nicht unbedingt an dem Gebot einer geschlechtsneutralen Anrede. Sie ist einfach richtiger, weil sie auch Institutionen wie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten mit einschließen, die ja durch durchaus helfen auf den letzten Metern hin zu Wahlkabine, indem sie Orientierung geben im verwirrenden demokratischen Dschungel so vieler Parteien.

Gerade wir älteren Mitbürger sind da oft überfordert. Sollen wir die V-Partei wählen (Veganer und Vegetarier) oder die MLPD (Marxisten/Leninisten Deutschlands), die Gartenpartei oder die Pinken (Bündnis 21)? Fest steht nur, wen wir nicht wählen sollten, obwohl sie, ihrem Gewicht bei der letzten Wahl entsprechend, an dritter Stelle wohl oder übel auf dem Wahlzettel aufgeführt werden musste: die AfD.

Aber unsere Medien, auch die Zeitungen und Magazine, sind sich einig, dass die Wahl der AfD einen bedenklichen Mangel an demokratischem Bewusstsein der Wählenden verraten würde. Kurz: die AfD gilt als rechtsextrem und darf eigentlich nicht gewählt werden. Deshalb wurde sie bisher auch nie zu irgendwelchen irgendwie bedeutsamen TV-Auftritten gebeten.

Bisher galt es in den „Nachrichten“-Sendungen für durchaus möglich, dass eine nonchalant so genannte „Mitte-Links-Regierung“ gebildet werden könne aus linksradikalen Antifa-SPDLern (Esken), Linken, Grünen – eine „Mitte-Rechts“-Regierung aber des Teufels wäre, denn die wäre ein bürgerliches Bündnis aus CDU, AfD und FDP, und selbst die Bezeichnung als „bürgerlich“ dafür kostete einst einer Moderatorin nach der Landtagswahl in Sachsen fast den Kopf.

Für die AfD gilt im öffentlichen politischen Diskurs ein schon alttestamentarisches  Bilderverbot – man sollte sie nicht nennen bei Strafe der allgemeinen Ächtung.

Dafür beeilen sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten – sicher ist sicher – auf diesen letzten Metern noch einmal drastisch vor Augen zu führen, was passieren könnte, sollten wir doch das Kreuz an verbotener Stelle setzen – wie nun die Science Fiction Serie im ZDF mit dem Titel „Deutscher“ vorführt, die drastisch und mit blutig geschlagenen Schädeln und himmelschreiend Antifa-konform erzählt, was in Deutschland passiert, wenn “plötzlich eine rechtspopulistische Partei die Regierung in Deutschland übernehmen würde“.

Als hätten Saskia Esken (SPD) und Janine Wissler (Linke) bereits jetzt eine volkspädagogische Produktion einer künftigen rotgrünlinken Regierung in Auftrag gegeben. Dass die Wahlstände der AfD in diesem gesteuerten und gleichgeschalteten Überzeugungseifer derzeit regelmäßig zu Kleinholz verarbeitet werden, gilt als, nun, demokratisches Kavaliersdelikt.

Es geht aber auch positiver! Letzte Woche zum Beispiel setzt das ZDF seine Wahlhilfe fort mit „Eure Wut, Euer Mut“, eine Motivationsstunde für Wähler der Grünen, besser: für die Wahl der Grünen.

So einig sind sich alle in unserer Republik, dass die AfD unwählbar ist, dass es einen gruseln könnte. Denn gleichzeitig, das ist ermittelt, haben drei Viertel der Bürger Angst in diesem Lande, ihre Meinung zu sagen. Ja, sie fühlen sich „gegängelt“.

Durch wen? Durch knallende Stiefelhacken? Nein, durch die Drohung, geächtet zu sein, und die wird durch diejenigen wach gehalten, die man in England als „chattering class“ bezeichnet, die Meinungsmacher in den Salons und Redaktionstuben und TV-Programmabteilungen, die Meinungsmacher aus Medien und Politik.

Das wohl beeindruckendste Interview, das ich in letzter Zeit gesehen habe, ist ein uraltes aus den sechziger Jahren, als das Fernsehen noch schwarzweiß war, ein Gespräch von zwei Kettenrauchern, mit Günther Gaus mit Hannah Arendt, der klugen deutschjüdischen Emigrantin, die sich erinnert an den schlimmsten Freundschafts-Verrat, den sie in den 30er Jahren zu erdulden hatte – er wurde von den gleichgeschalteten Intellektuellen verübt.

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Die Gleichschaltung, und das ist die historische Paradoxie, wird heute von links ausgeübt, unter dem Vorwand, eine rechte Machtübernahme zu vereiteln. Eine angesichts der Verhältnisse absurde Annahme und durchaus ein Vorwand, jede regierungskritische Haltung zu unterdrücken. Dieses Verfahren wird erspürt von der Bevölkerung („Gängelei“), aber nicht zum Ausdruck gebracht, aus Angst vor – genau, Repressalien oder Jobverlust.

Noch einmal zu Hannah Arendt, die die opportunistische Beweglichkeit der Intellektuellen unter der Bedingung der begeisterten Gleichschaltung erlebte.

„Sie glauben gar nicht, wie interessant sie diesen Hitler plötzlich fanden – sie sind in die Falle ihrer eigenen interessanten Überlegungen gerannt!“

Also hoffen wir, dass die Wahlhelfenden am Wahlabend in ihrem gleichgeschalteten „demokratischen“ Eifer nicht aus Versehen die Stimmen für jene Unaussprechlichen dahin sortieren, wohin sie offizieller Meinung nach gehören – in den Müll.