Es heißt, die Menschen lieben den Verrat, aber sie verachten den Verräter. Zugegeben, euer Verrat in der Kanzlerwahl war spektakulär, all das ratlose Gewimmel aus Abgeordneten und Berichterstattern, Sand im sonst so geschmeidig am Volk vorbei-schnurrenden Getriebe, herrlich, es weckte bei nicht wenigen die Hoffnung, dass die krumme Nummer Merz schnell Geschichte sein würde.

Das gilt übrigens nach wie vor: Ein Misstrauensvotum schon bei der Wahl zum Kanz-ler, das gab es noch nie. Was euch Verräter in der CDU angeht, so verachte ich euch nicht, im Gegenteil – es gibt also doch Abgeordnete, die ihre Gewissensfreiheit vor die Parteidisziplin setzen. Ihr wolltet nicht weiter auf euren gemeinsamen Werten von links herumtrampeln lassen. Also: Verrat am Verräter.

Was den Koalitionspartner, die Splitterpartei SPD, angeht: Hier rächten sich verprellte Karrieristen an ihrem Boss. Und natürlich die Ideologen links aussen, die alle jenseits ihrer Blase für Nazis halten. Interessant das Verhalten der Grünen, allen voran Annalena Baerbock, zitternd um ihren New-York-Job, die sich vor den Kameras fürsorglich um Merz bemühte und, nach Beratungen in ihrer Fraktion, Optimismus für die zweite Runde ausstrahlte.

Besonders diabolisch aber Linken-Chef Jan van Aken, der als einer der Ersten nach dem erfolgreichen zweiten Wahlgang gratulierte. Und der sich wohl bei Merz dafür bedankte, dass er nun die Brandmauer nach links einreißt, gegen alle Beschlüsse. Offenbar hatte er den erneuten Wortbruch des CDU-Kanzlers mit ein paar Stimmen aus seinem Lager bezahlt. Insgesamt also: ein bunter Haufen aus Überzeugungstätern und üblen plotters und Karrieristen mit einer Fülle von Motiven – anders wär es auch bei der Meute um Brutus, die Cäsar erdolchte, nicht gewesen sein.

Die SED-Nachfolgepartei mittlerweile politisch salonfähig. Der mächtigste und von Kommentatoren zwanghaft übersehene Elefant im Raum aber heisst AfD.

Mit freundlichen Grüßen
Matthias Matussek