Trotz deiner ehrfurchtgebietenden Geschichte (Jungsteinzeit!) hast du einen ganz üblen Ruf. Du bist zum Schimpfwort geworden, zur Beleidigung, die unseren Kindern auf Schulhöfen hinterhergerufen wird.

Jüngst wurde eine migrationskritische Bemerkung Cem Özdemirs «kartoffelig» genannt. Pfui!

Du bist nun mal deutsch, Kartoffel. Und aus diesem Grund möchten dich unsere Globalisten am liebsten verstecken, und nicht in Silberfolie.

Du giltst als engstirnig und provinziell, weshalb die ARD nun eine Serie gestartet hat mit dem Versprechen «Alles ausser Kartoffel», die uns den Horizont erweitern möchte in die marokkanische, georgische, koreanische Küche und ihre Gerichte hinein und meinetwegen in die chinesische, egal, was sich jetzt hinter der Nummer 102 verbirgt.

Dabei hast du, liebe Kartoffel, doch selber eine äusserst schillernde internationale Geschichte, jetzt im Vergleich zu, sagen wir, «Döner mit alles». Du wurdest bewundert deiner schönen Blüte wegen, neben der sich die des Döners bescheiden ausnimmt. Unter den Inkas wurdest du gezüchtet und diversifiziert, in süsse und rote und blaue, 3ooo verschiedene Sorten kannten sie, bei uns sind 200 gebräuchlich.

Meine Lieblingssorte ist die Bratkartoffel mit Schinkenspeck, dann die Pellkartoffel, gerne mit Quark oder Heringsfilets. Auch die Salzkartoffel verschmähe ich nicht, mit Kohlrabi und paniertem Schnitzel. Dann natürlich der Kartoffelsalat, egal, ob mit Wiener oder Frankfurter Würstchen, du bist da total anpassungsfähig.

Friedrich der Grosse erkannte, dass du, bescheidene und leistungswillige deutsche Kartoftel, dich auch in den trockenen Böden um Berlin durchsetzen und ein Volk ernähren kannst. Matthias Claudius dichtete: «Schön rötlich die Kartoffeln sind und weiss wie Alabaster.»

Du, Kartoffel, bist der Anker der deutschen Küche. Du bist unverzichtbar, mir ist das jetzter-neut klargeworden, seit meine Schwiegermutter zu Besuch ist und kocht!

 

Danke
Dein Matthias Matussek