Eine Gesprächstherapie mit dem berühmtesten Psychiater der Zeit, Jordan B. Peterson, über den deutschen Sonderweg, Trumps Narzismus, Marxismus und falsche Nächstenliebe. Von Matthias Matussek
Wir Deutschen
Matussek: Professor Peterson, ich muss gestehen, ich bin ein wenig nervös, so ähnlich wie ich es vor rund 40 Jahren war, damals in den 1980ern, als ich Mick Jagger, mein Jugendidol interviewte, ich dachte mir die ganze Zeit: verdammt noch mal, er ist Mick Jagger und ich bin es kein bißchen. Das legte sich erst, als ich sah, dass ich ein paar Zentimeter größer bin als er.
Jordan Peterson (lacht): Das ist gut, sehr gut, so sollte man damit umgehen.
Matussek: Wie groß sind Sie?
Person: 1,90cm
Matussek: Verdammt. Ich bin nur 185 cm!
Peterson: (erneutes Lachen)
Matussek: Professor Peterson, bevor wir auf ihr aufregendes Buch über Gott und das auserwählte Volk reden, dürfen wir ein paar Sätze über ein Volks reden, das absolut nicht auserwählt ist, sich aber gerne bisweilen für eines hält, nämlich die Deutschen?
Peterson: Nur zu
Matussek: Doktor Peterson, wir brauchen ihre Hilfe. Zur Anamnese: Wir haben die schlechteste und unbeliebteste Regierung seit Kriegsende, die das Land wirtschaftlich ruiniert und sozial zerrissen haben, und wir sind dabei, sie mit leicht geändertem Personal wiederzuwählen. Wir sind verrückt.
Peterson: Es ist tatsächlich erschreckend, was man von außerhalb über Deutschland mitbekommt.
Matussek: Unsere Regierung kollabierte am gleichen Tag, an dem Trump mit seinem Versprechen auf grundlegenden Wandel in den USA die Präsidentschaft gewann. Doch wir Deutschen marschieren weiter in den Untergang. Was können wir tun?
Peterson: Wir befinden uns in einem Kulturkampf. Das ist auch der Kern meines Buches. Ich muss da jetzt doch auf eine grundlegende Strömung eingehen. Wir erkennen, dass die Empiriker und Rationalisten geirrt haben. Wir haben das Ende der Aufklärung vor 80 Jahren erlebt. Nun leben wir in neuen Narrativen, insofern haben die Postmodernisten recht. Nur behauten diese, dass es kein alles überwölbendes Narrativ mehr gibt. Doch mit einem Taschenspielertrick haben sie den Marxismus zum einzig vernünftigen Narrativ erklärt, in anderen Worten, die Macht, und die Erringung dieser Macht. Und ihr Deutschen wart immer an allererster Front dabei, wenn es um diese Wechsel der Narrative ging. Das war so mit den Nazis, das war so mit dem Kommunismus. Schon der Protestantismus war so ein Wechsel.
Matussek: Volle Zustimmung. Nicht wenige Historiker nennen diese Krankheit den „deutschen Sonderweg“. Einst rief der Kaiser „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen.“ Nun rufen bei uns die Grünen „Wir zeigen der Welt, wie man den Klimawandel besiegt“. Allerdings führt das derzeit – wie schon beim Kaiser – in den totalen moralischen und wirtschaftlichen Bankrott. Wir erleben Zensur, Überwachung, Denunziation.
Peterson: Ich kann Sie gut verstehen. Aber schauen Sie, ich war jüngst wieder einmal in Toronto, Kanada. Auch dort wird auf eine völlig falsche Weise moralisiert. Immer geht es angeblich um die Marginalisierten, um die Schwachen. Auch wir haben uns schon seit dem Zweiten Weltkrieg ständig auf unsere friedliche und gütige Natur berufen, und das ist eine beliebte Camouflage, der kürzeste Weg zu moralischer Überlegenheit. Und wir leiden unter genau den gleichen Problemen wir ihr Deutschen. Als unsere Bauern auf die Straße gingen…
Matussek: …das gab uns Hoffnung, aber unser Bauernprotest, der ebenfalls mächtig war, wurde enthauptet durch eine Lüge der Regierung, dass die Demokratie in Gefahr sei, und sie schickten ihre Bataillone auf die Straßen, um gegen Nazis zu protestieren
Peterson: So ähnlich lief das bei uns in Kanada. Die Regierung Trudeau sperrte die Konten der Protestierer, um die Nazis, wie er sagte, zu bekämpfen. Es gibt keine in Kanada. Nun gut, vielleicht in Quebec vor 50 Jahren. Aber auch ich versuche zu ergründen, warum diese verdammten marxistischen Ideen nicht verschwinden. Zum Teil glaube ich, dass der Marxismus ein Ausdruck pathologischer Unreife ist. Hedonistische und machtverrückte Menschen werden automatisch davon angezogen, egal zu welchen Zeiten. Und der Marxismus war ein ziemlich cleverer Ausdruck dieses Charaktertyps. Und das ist schwer auszurotten. Ich weiß, das ist vielleicht der falsche Terminus, aber dieser Ideenkomplex wir mit jeder Generation wiedergeboren.
Matussek: Wir sind also in einem ewigen Kreislauf gefangen, in einer ewigen Wiederkehr, von der schon Nietzsche sprach?
Der linke Kulturkampf
Peterson: Nun, wir wissen, dass die Menschen konservativer werden, je älter sie sind. Wir sind noch nicht so weit, dass wir konzeptionell den Zusammenhang von fortgeschrittener Reife und politischen Ansichten erkennen können. Aber wir dürfen annehmen, dass reifere Menschen mehr an die Zukunft denken, dass sie die unmittelbare Befriedigung aufzuschieben lernen. Als Teenager begeisterte ich mich eine Weile für die Idee eines demokratischen Sozialismus. Damals dachte ich, dass eine Änderung der Verhältnisse nur durch den revolutionären Aufstand erreicht werden kann.
Matussek: Und nun erleben wir das prächtige Spektakel in den USA, dass diese Änderung tatsächlich mit dem Stimmzettel in der Wahlkabine erreicht werden kann und der woke Machtapparat weggefegt wird. Und Justin Trudeau in Kanada wir es wohl ebenso an den Kragen gehen.
Peterson: Alles spricht dafür. Wird höchste Zeit, dass dieser dumme, bigotte und fürchterliche Heuchler endlich verschwindet.
Matussek: Sie sprachen in einem Video über diese merkwürdige und faszinierende Gruppe von Superhelden, die in den USA das Kunststück fertiggebracht haben, mit dem X-Man und mit Wonderwoman rund um ihren Captain America Trump. Tatsächlich fast ein politischer Popmythos…
Peterson: Nun, in diesem Video habe ich auch einige Bedenken über Trump geäußert. Er hat nun mal alle Anzeichen einer narzisstischen Persönlichkeit. Das sage ich mit aller Vorsicht. Narzissten sind extrovertiert und unangenehm. Das ist der persönliche Wesenskern. Trump ist extrem extrovertiert, wahrscheinlich kommt ihm darin niemand auf der Welt gleich. Ich habe ihn in Phoenix bei seiner Wahlkampftour erlebt. Er hatte bereits zwei andere Termine an dem Tag. Und er sprach endlos. Er war enthusiastisch, er feuerte aus allen Zylindern. Ich meine, der Mann ist 78. Ganz klar ist er unangenehm, weil er unhöflich ist. Aber er ist – mittlerweile – bereit, die Bühne mit anderen zu teilen. Und das entspricht so gar nicht dem typischen narzisstischen Charakter. Trudeau dagegen ist klar narzisstisch und dazu noch bösartig, was die Sache verschlimmert, denn es enthält ein sadistisches Element. Er teilt die Bühne mit niemandem. Er spricht noch nicht mal mit seinen Kabinettskollegen. Er verachtet das Parlament. Während Trump diese außerordentlichen Menschen um sich versammelt, lauter Schwergewichte. Viele von denen hatte ich in meinen Podcasts schon als Gesprächspartner. Und ich habe keinen Hinweis darauf, dass ihn das stört.
Matussek: Er ist also keinesfalls ein Nazi, oder das Sprachrohr von Nazis?
Peterson: Es gibt tatsächlich ein pathologisches Element in der amerikanischen Rechten. Sie haben Jagd gemacht auf den Kongressabgeordneten Dan Crenshaw, einen Republikaner und verwundeten Kriegsveteranen, den ich persönlich kenne. Es gibt tatsächlich eine antisemitische, eine rassistische Rechte. Das sind einfach Psychopathen, die eine politische Ideologie für ihre eigenen Zwecke nutzen. Aber es gibt auch Psychopathen auf der Linken, und jede Menge davon. Die auf der Rechten sind nicht annähernd so gut organisiert wie die auf der Linken. Sicher sind sie beunruhigend. Und sie sind vorwiegend auf X unterwegs und das ist ein Problem.
Matussek: Aber würden Sie nicht zustimmen, dass die sogenannte „rechte Gefahr“ enorm übertrieben ist? Unter dem Vorwand, Nazis zu bekämpfen, ist alles erlaubt. Die Harris-Kampagne hat das bewiesen, sie hat Trump ernsthaft als „Hitler“ beschimpft. Politik und Medien bei uns tun es ebenfalls es ebenfalls. Hitler erneut zur Strecke zu bringen ist gerade für uns Deutschen quasi ein moralischer Imperativ geworden.
Peterson: Wahrscheinlich ist es in dem Zusammenhang am besten, nach Ungarn, Italien oder Schweden zu schauen, vielleicht auch in die Niederlande, obwohl die Lage dort unübersichtlicher ist. Aber Meloni ist ein gutes Beispiel. Sie stand am Pranger, weil sie ein Nazi sei. Und es zeigte sich, dass sich nichts davon bewahrheitete. Dasselbe gilt für Ungarn oder die frühere polnische Regierung oder nun Schweden. Diese sogenannte schreckliche Rechte scheint beträchtlich weniger schrecklich, wenn sie an der Macht ist. Und man könnte auch Argentinien anführen. Über die deutsche Partei AfD habe ich mir noch kein Urteil gebildet, da habe ich meine Informationen hauptsächlich aus den Mainstream-Medien. Und das sind, wie wir wissen, keine realen Informationen. Das ist nur ein Strom von Propaganda, und da erscheint die AfD als eine Wiedergeburt Hitlers. Ich bin da sehr skeptisch, nicht zuletzt mit Georgia Meloni in Italien vor Augen. Ich war auch mehrere Male in Ungarn und habe beileibe nicht erlebt, dass ich dort in eine autoritäre Hölle geraten sei.
Matussek: Wie wird es Ihrer Ansicht nach in den USA weitergehen. Im Moment ist dort die Linke, soweit man die Demokraten als solche bezeichnen kann, damit beschäftigt, ihre Wunden zu lecken.
Peterson: Es scheint mir ein globales Problem zu sein, zumindest im Westen. Sie haben jeden davongejagt, der auch nur eine Spur Mumm in den Knochen hatte. Das gilt für Kennedy, Tulsi Gabbard, Rogan. Nach Trumps Sieg sind CNN, MSNBC, das ganze demokratische Machtsystem, in Tränen ausgebrochen. Und sie argumentierten, sie bräuchten ihren eigenen Joe Rogan. Aber sie hatten ihn, Joe ist ein Linker. Er stimmte einst für Bernie Sanders. Wir haben führenden Demokraten in den USA Gespräche auf unserem Podcast angeboten- sie wurden sämtlich abgelehnt. Wir haben ihnen angeboten, jede Änderung vorzunehmen, die sie wünschten. Ja selbst, das ganze Gespräch nicht auszustrahlen, wenn sie es wollten. Niemand ist darauf eingegangen. Buchstäblich niemand. Die Funktionäre verweigern ganz schlicht jeden Gedankenaustausch. Sie wollen gescriptete Fragen, gescriptete Antworten. Aber so funktioniert das nicht im Netz.
Matussek: Mein Sohn und seine Generation schauen gar nicht mehr analoges Fernsehen. Sie besorgen sich ihre Informationen aus dem Netz. In Deutschland funktioniert die Gesprächsverweigerung in den öffentlichen Medien übrigens ähnlich. Soeben hat der Grüne Spitzenkandidat Robert Habeck eine TV-Debatte mit der populären AfD-Kandidatin Alice Weidel abgelehnt. Auch in die Talkshows des Landes werden grundsätzlich keine AfD-Politiker eingeladen, mit der Begründung, man wolle ihnen keine Plattform geben.
Die Cancel Culture
Peterson: Kommunikation ist nicht mehr möglich. Das ist übrigens per definitionem die Voraussetzung für Krieg. Natürlich bedeutet es auch den Tod der kreativen Linken, der unternehmerischen Typen, der Künstler, der Komödianten. Wenn die nicht ihr Ding machen dürfen, sind sie tot. Nehmen Sie als Beispiel Hollywood. Ist tot. Und wenn Robert Kennedy tatsächlich die Werbung der Pharma-Industrie verbietet, werden die großen Sende-Anstalten sterben wie Fliegen, denn sie werden von Big Pharma finanziert. …Wen würden Sie mir für meinen podcast als Gesprächspartner empfehlen?
Matussek: Ganz spontan Alice Weidel, die AfD-Co-Chefin. Sie hat unter anderem in China gearbeitet und für Goldman Sachs gearbeitet, spricht Mandarin und perfekt Englisch. Dazu kommt, dass sie offen lesbisch lebt mit einer dunkelhäutigen Partnerin, einer Singalesin, was für diejenigen, die sie als rassistische Nazi diffamieren, einen praktisch unlösbaren Konflikt darstellt.
Aber gleich eine Triggerwarnunng: Elon Musk durfte sich erst kürzlich in einem Meinungsartikel in der Zeitung „Welt“ für sie stark machen. Daraufhin kündigte die Chefin des Meinungsressorts, weil sie es nicht ertragen konnte, dass eine Meinung, die ihrer eigenen widersprach, gedruckt wurde. Die gesamte deutsche Politik und ihre Medien schäumen immer noch und warnen vor Wählerbeeinflussung. Es sind die gleichen, die sich noch jüngst im amerikanischen Wahlkampf gegen Donald Trump in die Bresche warfen. Sie selbst werden das gleiche erleben. Womöglich schon mit diesem Interview.
Peterson: Ich habe von dieser Kontroverse gehört, ja.
Matussek: Musk pries die AfD auch deshalb, weil sie sich „für eine kontrollierte Einwanderungspolitik einsetzt, die der Integration und dem Erhalt der deutschen Kultur und der Sicherheit Vorrang einräumt.“ Wollen wir über Immigration reden?
Der Islam
Peterson: Sehr gerne. Wissen Sie, ich habe jüngst eine Statistik gesehen, nach der 100 Prozent der katholischen und protestantischen Länder außerhalb Afrikas Demokratien sind. Aber nur 6 Prozent der 50 muslimischen Länder sind es. Genau drei Länder, also Türkei, Indonesien und Marokko, wenn die als Demokratien durchgehen. Das ist ein großes Problem. Natürlich behauptet die Linke, die seien auf Grund der westlichen Unterdrückung (Kolonialismus und so weiter) in dieser Verfassung. Eine reichlich trostlose Erklärung. Es stellt sich doch eher die Frage, ob es nicht einen Zusammenhang zwischen den Kernaussagen des Islam und Autokratie gibt? Nun gibt es Länder wie die Vereinigten Arabischen Emirate oder Saudi-Arabien, Unterzeichnerstaaten der von Trump initiierten Abraham-Accords, die eine vorsichtige Modernisierung versuchen. Auch in Zentralasien gibt es solche Versuche. Vielleicht gibt es da einen friedlichen Weg, aber im Prinzip waren wir alle sehr naiv.
Matussek: Die westliche Linke hat in den muslimischen Immigranten die ausgebeutete und unterdrückte Klasse neu entdeckt, quasi ein neues Proletariat adoptiert.
Peterson: Was Keir Stamer, der neue Labour-Premier, jüngst sagte, hat mich aus den Socken gehauen. Er meinte, man habe die Öffentlichkeit über die Politik der offenen Grenzen in den letzten zehn Jahren belogen, und dass man diejenigen, die darüber aufklären wollten, zu Unrecht an den Pranger gestellt habe.
Matussek: Da waren die Vergewaltigungs-Banden in Oldham, denen die Behörden tatenlos zusahen, nun gibt es offenbar Untersuchungen.
Peterson: Jetzt also stellt sich Keir Stamer hin und erklärt, dass die Immigration mit offenen Grenzen ein Fehler war und ein Experiment, das fehlgeschlagen ist.
Matussek: Eine Operation am offenen Herzen.
Peterson: Und zwar eine durch ungelernte Chirurgen.
Matussek: Ich habe den Eindruck, dass sich die in Deutschland von den Grünen durchgedrückte Immigration aus einem enormen Hass speist. Hass auf die christliche Religion und Hass auf das eigene Land. Sie wollen das soziale Gewebe zerreißen, Vergewaltigungen und Messerkriminalität sind auf einem Höchststand. Doch die Grenzen bleiben offen. Gerade ist ein sogenannter Asylant in Magdeburg auf einen immerhin christlichen Weihnachtsmarkt gerast und hat fünf Menschen getötet und 200 verletzt. Absurderweise wurde die AfD verantwortlich gemacht.
Peterson: Was mich in den 70er und 80er Jahren sprachlos gemacht und mir gleichzeitig die Augen geöffnet hat war die Lektüre von Solschenizyn. Er wies nach, dass das, was im stalinistischen und leninistischen Russland passierte, nicht etwa eine Verirrung des Marxismus war, sondern eine direkte logische Konsequenz von dessen pathologischen Ideengebäuden. Ideensysteme sind wie Götter, sie sind Dämonen, von denen Menschen besessen sind. Und diese Dämonen haben ein Ziel. Selbst wenn nicht jeder Grüne bewusst die Zerstörung der Substruktur der deutschen Gesellschaft plant, so tut es doch das Ideengebäude, das sie verhext. Und wir verstehen zunehmend besser, wie diese mächtigen Sprachsysteme die Ideen regulieren. In meinem neuen Buch „Gott – Das Ringen mit einem, der über allem steht“ habe ich das anhand der Elia-Geschichte analysiert.
Die Bibel
Matussek: Das Auftakt-Kapitel, das mit einem mächtigen Brausen hineinführt in die Welt des Alten Testaments.
Peterson: Worauf es ankommt: Elia stellt sich gegen die Naturgötter der Zeit und ihre Anbetung. Das mag man für ein archaisches Problem halten, das ist es aber nicht im Geringsten. Zunächst mal ist die Naturanbetung im Vorteil, denn sie ist in sich schon ein spiritueller Vorgang. Aber sie de-priorisiert, sie stellt alles, was menschlich ist, in die zweite Reihe. Wenn die Natur die Spitze ist, ist alles andere nachgeordnet. Natur ist ein sehr amorphes Konzept. Wenn Naturanbetung die höchste aller Tugenden ist – heißt das dann, dass eine Ratte oder ein Floh einen höheren Wert hat als ein Kind, oder den gleichen Wert? Nun, man könnte sagen, dass das absurd ist. Es ist absurd, wenn in dir noch Spurenelemente eines jüdisch-christlichen Ethos zu finden sind. Was allerding passiert, wenn der Katastrophenfall eintritt, dass man Kinder oder Menschen im Allgemeinen ins zweite Glied rückt? Die Antwort ist ein heimtückischer Hass auf die Menschheit. Das genau ist das Gespenst, das unterm Bett lauert. Es ist wirklich komplex: wenn ich mit einem studentischen Aktivisten auf irgendeinem Dinner spreche, würde ich denken: ganz normal, bis auf ein paar verrückte Ideen. Aber wenn Tausende von denen zusammenkommen, dann wird es totalitär. Und deshalb habe ich das Buch über Gott geschrieben, um klarzumachen, um welch zentrale Geschichte es geht und gehen muss.
Matussek: Ein zentrale Punkt dieser Geschichte scheint mir das Opfer zu sein, auch das Selbstopfer.
Peterson: Und diese Geschichte ist das Gegenteil von Macht. Es gibt keine zwei Erzählungen die gegensätzlicher sein könnten als Gott und Macht. Das Neue Testament mit der Passion Christi erzählt in erster Linie davon, der Macht abzuschwören, das ist der zentrale Punkt.
Dostojewski
Matussek: Das ist die Gegenerzählung zum herrschenden Narrativ, zum Lauf der Welt. In Dostojewskis „Großinquisitor“ drückt der eingekerkerte ohnmächtige Christus diesem am Ende des Gesprächs einen „Kuss auf die blutleeren Lippen“.
Peterson: Und das ist für uns so unbegreiflich, denn Macht ist eine ungeheure Versuchung. Wenn Hierarchien oder ein Einzelner psychisch kollabieren, dann meist in Richtung der Macht.
Matussek: Um noch einmal auf Dostojewski zu sprechen zu kommen. In den „Dämonen“ entgegnet einer dieser Gruppe von revolutionären Nihilisten, die dort so leichthin Millionen von Toten einplanen: „Wenn ich die Wahl hätte zwischen Christus und der Wahrheit, ich würde mich für Christus entscheiden.“ Er entscheidet sich für Christus und die Machtlosigkeit.
Peterson: Jede Wahrheit, die nicht auf Selbstaufgabe beruht, ist nicht wirklich Wahrheit. Das ist zunächst mal merkwürdig, denn die Art der Wahrheit, die uns die Aufklärung verspricht, beruht lediglich auf schieren Fakten. Die Welt besteht aus einer unendlichen Anzahl von Fakten. Man muss priorisieren. In meinem Buch versuche ich herauszuarbeiten, dass es ein Ethos gibt, das uns verbindet, das unsere Ängste unterdrückt und uns Hoffnung gibt. Und das gleiche Ethos verbindet uns auch in sozialer Hinsicht. Es ist das Ethos der Selbstaufopferung.
Matussek: Was auch missverstanden werden kann, vielleicht können wir im Zusammenhang von falsch verstandener „christlicher Nächstenliebe“ darauf zurückkommen. Aber zunächst geht es Ihnen bei dem Begriff „Opfer“ wohl auch darum, nicht jeder hedonistischen Laune zu folgen?
Peterson: Richtig. Der Grund dafür, dass wir ein zweijähriges Kind erziehen ist, dass es alles, was es will, sofort will, ohne Rücksicht auf Konsequenzen oder irgendeinen Anderen. Aber wenn du klein beigibst, wächst es sich zu einem pathologischen Tyrannen aus. Keine Freunde, keine Zukunft. Wahrscheinlich wird es kriminell. In der tiefsten Schicht geht es darum, dass wir die Orientierung verloren haben, dass wir nicht mehr mit Gott ringen und dem Rätsel der Selbstaufopferung. Um das in Erinnerung zu rufen, plane ich eine große Tour mit meinem Buch durch Europa.
Die Kirche
Matussek: Ihr Buch kommt genau zum richtigen Zeitpunkt. Nämlich zu einem, an dem selbst die Kirchen in Deutschland die Bibel gendergerecht umschreiben und sie als patriarchalische Erzählung entzaubern wollen.
Peterson: In Kanada passiert das gleiche. Die protestantische Mainstream-Kirche in Kanada ist weder eine Kirche, noch ist sie christlich. Sie ist vollständig übernommen worden vom LGBTQ-Alphabeten-Mob.
Matussek: Auf unserem letzten evangelischen Kirchentag rief ein Pastor aus: „Gott ist queer“. Und eine Gruppe von Aktivisten protestierte in der Sixtinischen Kapelle gegen das grandiose Schöpfungs-Fresko, weil Michelangelo den Allmächtigen dort als alten weißen Mann dargestellt hat.
Peterson: Ach, wissen Sie, selbst Katholiken beteiligen sich an diesem Zirkus. Und dass Papst Franziskus das Christkind angebetet hat, das auf einem Kefir, einem Palästinensertuch, gebettet war, ist jenseits aller Vorstellung. Auf ihre Weise behauptet sich die Orthodoxe Kirche noch, vornehmlich weil sie in Rituale eingebettet ist. Auch die Katholiken versuchen noch, an ihren Doktrinen festzuhalten
Matussek: Bei uns allerdings sind sie erneut auf dem schon erwähnten „deutschen Sonderweg“ unterwegs. Sie wollen protestantisch werden, mit der Aufhebung des Zölibats, mit Pastorinnen, der Entsakralisierung des Bischofsamtes, des einzigen im Übrigen, das von Jesus persönlich eingesetzt wurde über seine Jünger.
In Ihrem Buch haben mich die Kapitel über den Exodus besonders beeindruckt. Ich habe mich immer gefragt, warum das auserwählte Volk vierzig Jahre braucht, um die Wüste zu durchqueren, also mehrere Generationen. Sie liefern eine plausible Erklärung: Manchmal braucht es Generationen, um festgefahrene Einstellungen zu ändern. Das „Gelobte Land“ winkt nur denen, die es geschafft haben. Da frage ich mich natürlich, wieviel Generationen wir Deutschen brauchen?
Peterson: Wenn du die Orientierung verloren hast, wenn du nicht weißt, worüber du redest, wenn du gespalten und zerrissen bist, dauert es endlos. Drei Generationen ist eine optimistische Annahme, sie funktioniert nur, wenn ein Moses dich führt. Wenn allerdings Satan das Sagen hat, wirst du für immer in der Wüste verloren sein.
Matussek: Dass ausgerechnet Moses, der Gottes Wort weitergibt, eine Sprachbehinderung hat, ist ein wunderbares Detail. Chesterton nennt die Zehn Gebote „eine Marschordnung für den Transport eines Heiligtums“.
Peterson: Ja, Gott sagt zu Moses: Du hast nun mal Handicaps und Fehler, sieh zu, wie du damit klarkommst. Im Übrigen hast du Leute um dich, dein Bruder Aaron kann gut reden. Organisier dich.
Matussek: Sie ergründen über Seiten hinweg Passagen der Bibel, die man sonst überfliegt. Etwa: Warum spricht Gott aus den Flammen des Dornbusches mit Moses? Warum darf er ihn nur von hinten sehen? Warum muss sich Moses seiner Sandalen entledigen, wenn er sich ihm nähert?
Peterson: Es gibt so viele Rätsel in der Bibel, einige habe ich bis heute nicht gelöst.
Falsche Barmherzigkeit
Matussek: Wir hatten vorhin über Selbstaufopferung und christliche Barmherzigkeit gesprochen, die vor allem während unserer sogenannten deutschen „Flüchtlingskrise“ immer wieder eingefordert wurde, vor allem von jenen, die das Christentum verachten. Es gibt diesen berühmten Satz von Thomas von Aquin: „Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit mag grausam sein, aber Barmherzigkeit ohne Gerechtigkeit führt zur absoluten Auflösung“.
Peterson: Es ist schlimmer als das. Unterschiedslose Wohltäterei. Wir müssen diese Sache aus mehreren Blickwinkeln betrachten. Jesus größte Feinde sind die Pharisäer. Die Heuchler, die Akademiker, die Rechtsverdreher. Nun heißt es im dritten Gebot der Juden: Du sollst den Namen des Herrn nicht missbrauchen. Das heißt: Du sollst dir keine göttliche Tugend zum Zweck der Selbstvergrößerung anmaßen. Also sprich nicht im Namen Gottes, wenn es dir nur um deine eigenen verdammten Interessen geht. Schon Eva begeht diese Sünde, als sie die Schlange an ihrer Brust umarmt. Ihr weibliches Pharisäertum besteht darin, dass sie sagt: Ich umarme unterschiedslos die ganze Welt. Ich bin superaltruistisch. Und Adam steht daneben und sagt: was immer du willst, mein Schatz. Das ist die Ursünde der beiden. Nun kann man durchaus auf nützliche Art opfern. Das ist das, was etwa Abel tut. Aber es kann auch missbraucht werden. Und das tun Narzissten und Psychopathen. Wir erleben Exzesse des Pharisäertums, sowohl in Kanada wie in Deutschland.
Matussek: Schon zu Beginn des letzten Jahrhunderts stritt sich Gilbert K. Chesterton mit seinem Verleger Blatchford genau darüber. Dieser war der Pharisäer und klagte ständig die sogenannte „Barmherzigkeit“ des Urchristentums ein. Chesterton schrieb: “Mr. Blatchford ist wohl der einzige frühe Christ, der mit Recht an die Löwen verfüttert worden wäre.“
Peterson: Es ist tatsächlich schwer, Gutes zu tun. Nur mit Geld um sich zu schmeißen, ist es ganz gewiss nicht. Es gibt sehr viel mehr Möglichkeiten, damit Schlechtes zu bewirken als Gutes.
Matussek: Die oft zitierte und falsch verstandene Geschichte des barmherzigen Samariters ist ja die der ganz persönlichen Verantwortung. Er trägt ihn zur Herberge. Er bezahlt persönlich seine Pflege. Er schaut später nach ihm. Während unsere Politiker keinen einzigen syrischen Flüchtling bei sich aufgenommen haben, die werden einfach auf Kosten der Steuerzahler in Gegenden weit außerhalb des Regierungsviertels verfrachtet.
Peterson: Es gibt wunderbare Interviews auf Youtube, wo ein Linker auf einer pro-immigrantischen Demonstration von einem, der einen Immigranten im Schlepptau hat, gefragt wird, ob er den wohl aufnehmen könne. Ständig ist die Antwort: „Ähm nein, eher nicht, wir haben zu wenig Platz.“
Autobiografisches
Matussek: Als bei uns die „Refugee-Welcome-Hysterie“ ausbrach, gab ich ein Gastspiel bei der Tageszeitung Welt, für ein Jahr, bis ich gefeuert wurde. Ich schrieb darüber und nannte mein Buch nach dem psychedelische Rocksong von Jefferson Airplane „White Rabbit“, weil es mir so vorkam, als ob die ganze Nation LSD geschmissen hätte.
Peterson: Warum sind Sie gefeuert worden?
Matussek: Wollen Sie das wirklich hören?
Peterson: Ich brauche auch Ihre Vorgeschichte
Matussek: Hm, die Sache war wohl ein Missverständnis. Ich hatte zuvor ein Vierteljahrhundert beim Spiegel-Magazin gearbeitet, dem einst größten Nachrichtenmagazin Europas, das ich verließ, als es zu woke wurde. Nach einem Chefredakteurswechsel wurde mir gesagt, ich dürfe nicht mehr über die Themen Familie, Glauben und Nation schreiben, genau jene Themen, über die ich sehr kontroverse Bestseller gegen den Zeitgeist geschrieben hatte.
Peterson: Das klingt beängstigend vertraut.
Matussek: ich wechselte also zur Zeitung Welt, weil ich dachte, die sei konservativ. Doch schon nach zwei Wochen erhielt ich eine Abmahnung. Ich hatte mich ungewollt mit der LGBTQ-Community angelegt. Ich hatte über einen spanischen Kardinal geschrieben, der wegen Homophobie vor das EU-Gericht gezerrt werden sollte, weil er meinte, dass Homosexualität heilbar sei. Nun, ich hielt das für eine Meinung, die man haben kann, egal, wie begründet sie ist, und schrieb „Ich bin ich wohl homophob, und das ist auch gut so“ Es war auch eine Art Antwort auf den Bürgermeister von Berlin, der seine Wahlen gewann mit dem Slogan „Ich bin schwul und das ist auch gut so.“ Es gab Vollversammlungen einer empörten Redaktion gegen mich. Der Chefredakteur, der schrieb, dass wir alle schwuler werden müssten, ließ zwei schwule Kollegen gegen mich im eigenen Blatt anschreiben. Schließlich auch noch die grüne Kulturministerin. Kurz darauf lieferte ich eine kritische Geschichte über einen AfD-Mann aus Schwarzafrika, der ratlos vor den zersplitterten Fenstern seines Büros stand, auf die geschmiert war: „Rassist“. Meine nächste Geschichte wurde schon nicht mehr gedruckt. Als dann Islamisten das Massaker im Pariser „Bataclan“ mit über hundert Toten anrichteten, schrieb ich auf Facebook: „Nun wird man sich wohl auch bei uns Gedanken darüber machen, ob es ratsam ist, hunderttausende islamistische Männer unkontrolliert ins Land zu lassen“. Ein schwuler Medien-Aktivist skandalisierte das, ich wurde fristlos entlassen. Aber Gottseidank gibt s ja Zeitschriften wie die Weltwoche.
Peterson: (schüttelt den Kopf) Leider hört man solche Geschichten zunehmend. Ich erwähnte schon die unabhängigen Köpfe, die die Demokraten aus der Partei gedrängt haben. Vergessen Sie nicht: Die Konsequenz dafür, dass Christus sich mit den Pharisäern angelegt hat, war seine Kreuzigung. Auch in den Staaten werden konservative schwarze Politiker als Nazis beschimpft. Man wird geteert und gefedert. In dem Moment, in dem du als Nazi gelabelt wirst, wird es zur moralischen Pflicht, dich auszuschalten.
Matussek: Das gilt übrigens für ganz Europa, dieser sogenannte „Kampf gegen rechts“. Die EU-Präsidentin, die eine Netz-Zensur „gegen rechts“ auf den Weg gebracht hatte, ist im Herzen eine Grüne, die unter dem Firmenschild der einst Konservativen Christlichen Demokraten ins Amt befördert wurde. Gegen sie wird derzeit wegen Korruption ermittelt, weil sie undurchsichtige Geschäfte mit Pfizer abgeschlossen hatte.
Peterson: Europa droht verloren zu gehen, deshalb werde ich im Juni/Juli hier touren.
Die Klima-Frage
Matussek: Europa ist auch deshalb politisch paralysiert, weil die Kartelle aus Altparteien jeden Wechsel verhindern. In Frankreich wurde so das Ressemblement National blockiert, in Österreich die FPÖ, bei uns die AfD. Es hat sich eine politische Klasse gebildet, die völlig abgehoben vom Volk ist, wie es Roger Köppel, der Chef der Weltwoche, kürzlich in einem Leitartikel schrieb. Eine Art ancien regime hat sich gebildet, mit grünen Politikern in Deutschland, die Hunderttausende von Steuergeldern für Hoffotografen und Schminkteams ausgeben und Bürger, die Witze über sie machen, vor Gericht ziehen. Unsere Außenministerin Baerbock betonte, dass sie tut was sie will, egal was ihre Wähler sagen, nach dem Motto: „Let them eat cake“. Sie votiert für einen Krieg gegen Russland unter Beteiligung Deutschlands, bis zum Endsieg.
Peterson: Die europäische Situation ist triste. Deshalb haben wir eine Alternative zum World Economic Forum und seine Kaderschmieden für woke Politik aufgebaut, sie nennt sich „Alliance für Responsible Citizenship“, ARC. Das WEF scheint sich mit seiner Agenda allmählich auszuröcheln, weil es so pathologisch geworden ist. Haben Sie bemerkt, dass Kamala Harris im Wahlkampf kein einziges Mal das Klima erwähnte?
Matussek: Nein?
Peterson: Nicht ein einziges Mal. Sie kommen allmählich zur Vernunft, zumindest durch Auslassung.
Matussek: In einer jüngsten Umfrage rangierte die Sorge um das Klima in Deutschland auf dem letzten Platz. Ganz oben stand die Wirtschaft und die Angst vor einem Krieg.
Peterson: Wir hatten jüngst eine Tagung des ARC in Bayern mit rund 200 Deutschen. Es sprach dort u.a. Björn Lomborg, der Autor des Buches „Apocalypse No!“, das eine Kampfansage gegen die Klimahysterie ist. Die Teilnehmer waren hingerissen.
Matussek: Das Klimanarrativ löst sich auf.
Peterson: Es löst sich auf in Kanada, in den USA, und es wird sich auch in Great Britain auflösen, denn dort haben sie die gleichen Probleme wie ihr Deutschen mit den hohen Energiekosten. Das ARC will ebenfalls die Armut bekämpfen, wie es das WEF behauptet, aber wir setzen auf intelligente lokale Lösungen und sind uns über eines klar: Der beste Weg zu diesem Ziel ist die Versorgung mit billiger Energie. Die Grünen vergrößern die Armut, weil sie die Energie so maßlos verteuern.
Matussek: Das ist der Punkt. Die unterentwickelten Länder wollen so leben wie wir und sie haben jedes Recht dazu. Und die Grünen verhindern das.
Peterson: Vielleicht ist auch das ein verborgenes Motiv hinter der Immigrationspolitik: Ein Schuldgefühl diesen Ländern gegenüber. Also lädt man halb Afrika nach Europa ein.
Matussek: Meine Hoffnung auf eine Änderung der Verhältnisse ruht auf der Jugend. Die Grünen hatten für die letzte Europawahl das Wahlalter auf 16 Jahre gedrückt, weil sie sich in dieser Altersgruppe die größte Zustimmung erhofften. Sie haben sich verkalkuliert. Die Jungen wählen rechts, sie wählen die AfD, weil es ihre Zukunft ist, die auf dem Spiel steht.
Der neue Faschismus
Peterson: Ich habe vor kurzem „Cabaret“ noch einmal gesehen. Es gibt keine bessere Zustandsbeschreibung der gegenwärtigen Verhältnisse im Westen. Auf der einen Seite der Anstieg der hedonistischen Dekadenz, auf der anderen die Gegenposition der Nazis. Der Hedonismus fällt in sich zusammen, er stürzt ins Chaos und schafft das Bedürfnis nach einem Ordnungsprinzip, nach einer tyrannischen Vaterfigur.
Matussek: Allerdings muss man sich Gedanken darüber machen, wie dieser neue Faschismus aussehen könnte. Der Italiener Roberto Silone sagte einst: „Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus.“ Und die Grünen weltweit, besonders aber in Deutschland, haben durchaus totalitäre Züge, mit all den Verordnungen, Meldestellen gegen Hatespeech, Gefängnisstrafen für Dissidenten, Versammlungsverboten, Gleichschaltungen, Zensurbemühungen, bezahlten Propagandasendern und einem Verfassungsschutz, der die AfD verbieten möchte.
Peterson: Ähnliches gibt es bereits in England, mit dem Tatbestand „nicht strafbarer Hassrede“. Und in Kanada wird mit der Bill C-63 ein Regime eingeführt, das die deutsche Polizei wie Anfänger aussehen lässt. Es ist die totalitärste Gesetzgebung, die ich kenne, jenseits aller Vorstellungen. Es wird wahrscheinlich noch verabschiedet, bevor Trudeau in der Versenkung verschwindet. Nach diesem Gesetz könnte ich Sie anzeigen, wenn ich den Verdacht habe, dass Sie im nächsten Jahr etwas Hasserfülltes sagen. Ein Provinzgericht könnte dann anordnen, dass sie ein Jahr lang eine elektronische Fußfessel tragen, die ihre Bewegungen überwacht.
Matussek: Mögliche Verbrechen erkennen, bevor sie geschehen: das klingt wie Spielbergs dystopischer Thriller „Minority Report“. Was können wir tun?
Peterson: Wir können uns organisieren, wie wir das mit dem ARC vorhaben. Und wir können versuchen, die tiefere Bedeutung all jener Vorgänge zu begreifen, wie ich es in meinem Buch tue. Ich schreibe gerade an zwei weiteren, eines über Hiob und das andere über die Passion Christi. Es geht um ein Ethos, das uns alle vereint.
Matussek: Hoffen Sie auf eine weltweite Re-Christianisierung? Es gibt ja durchaus Anzeichen. Sie hatten Elon Musk in Ihrer Sendung, der seinen Sohn an den woken Mob verloren hat. Er spricht seit neuestem sehr sympathisierend über das Christentum. Martin Scorsese bereitet einen Film über Jesus vor.
Peterson: Brad Pitt hat sich gerade zum Christentum bekannt. Niall Ferguson, Ayaan Hirsi Ali, Douglas Murray ist kurz davor, Tom Holland, Russell Brand.
Matussek: Selbst der Atheist Richard Dawkins bezeichnet sich als Kulturchristen.
Im Abraham-Kapitel setzen Sie sich mit ihm auseinander. Sie versuchen den Brückenschlag von Evolutionstheorie zur Theologie.
Peterson: Nun, seit meinem Buch „Maps of meaning“ versuche ich, keine Aussage zu treffen, die nicht gleichzeitig theologisch und wissenschaftlich haltbar ist. Ich halte zum Beispiel Richards Theorie über das egoistische Gen für falsch. Für ihn ist Sex nichts anderes als Reproduktion. Das mag für Fische gelten oder für Moskitos, aber nicht für Menschen. Die Abraham-Geschichte zum Beispiel zeigt nichts anderes als die Selbstaufopferung, das Streben nach langfristigen Zielen, ein Ringen nach dem Höchsten. Das ist dem egoistischen Gen völlig egal.
Matussek: Das scheint selbst Dawkins aufgegangen zu sein, weshalb er später seine Theorie der „Meme“ nachschob, also die, dass sich auch kulturelle Topoi weitervererben wie Gene.
Peterson: Fest steht, dass nichts gerade die jungen Hörer meiner Vorlesungen zu diesem Thema so sehr fasziniert wie der abenteuerliche Aufbruch Abrahams ins Ungewisse und der Gedanke der Selbstaufopferung, um etwas Höheres zu erreichen. Lassen Sie mich zum Schluss noch auf etwas wichtiges hinweisen. Wie Sie wissen, habe ich meine Professur an der Uni verloren, meine wissenschaftliche Arbeit wurde damit zerstört. Ich konnte aus einer Reihe von Gründen nicht weiterarbeiten. Nun haben meine Tochter und ihr Mann die „Peterson Academy“ gegründet. Wir beschäftigen dort die besten Vortragsredner der Welt. Wir haben bereits 40 Beiträge hochgeladen, jeden Monat kommen vier weitere dazu. Die Gebühr beträgt nur rund das Zweifache eines Abos des Wall Street Journal. Es gibt bereits 40.000 Studenten. In den nächsten zwei bis drei Jahren bieten wir ein BA-Great-Books-Lehrplan an, mit einem Schwerpunkt auf Wissenschaft und Mathematik. Wir haben keine Zensur, aber einen Verhaltenskodex. Wer dagegen verstößt, fliegt raus. Das betraf im letzten Jahr gerade mal 4 Leute, die wir deswegen suspendieren mussten. So, check it out.
Matussek: Wie werden Sie heute noch ins Neue Jahr feiern?
Peterson: Im Kreise meiner Familie, wir sind gerade in Scottsdale, Arizona
Matussek: Professor Peterson, Ihnen und Ihrer Familie Alles Gute zum Neuen Jahr.
Peterson: Ihnen auch, danke
!
Kämpfen Sie mit!
Wie Sie sicher gesehen haben, kommen meine Beiträge ohne Werbung aus. Daher: wer mich in meinem Kampf gegen eine dumpfe Linke, die auf Binnen-Is und Gendersternchen besteht, aber Morddrohungen nicht scheut, unterstützen möchte, besonders für allfällige gerichtliche Auseinandersetzungen, kann es hier tun.
2 Kommentare
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Das große Verdienst von Marx war,daß er die alles bestimmende Rolle der Ökonomie in der Industrie- und Massengesellschaft entdeckt und definiert hat – und solange dies die Weltstunde mit dem Primat des Ökonomischen ist, wird Marx immer wiederkehren. Er wird auch zum Teil zu Unrecht angeklagt – vor dem Genderwahn hätte es ihn gegraust! Auch der Niedergang der Bildung und der Kunst hätte ihm sehr mißfallen.
Mögilch, dass die ökonomischen Grundannahmen wie das Profit-Interesse stimmen, aber sein historischer Materialismus (der automatische Sieg des Proletariats) ist von der Geschichte widerlegt, der war dann doch zu hegelianisch. Als Polemiker war er mit seiner “Deutschen Ideologie” sehr amüsant, aber als politischer Kopf ein verbrecher…meine Meinung
Danke für die Zuschrift
Ihr
MM