2015 wird sich der Islamismus, ähnlich wie vor ihm Stalinismus und Faschismus, immer stärker als neue totalitäre Bedrohung erweisen. Nur eine von vielen folgenschweren Entwicklungen. Ein Ausblick.

Man kann über uns Deutsche sagen, was man will, wir freuen uns gern mal, wenn’s passt. Aber auch, wenn’s nicht passt. Eine neue Umfrage zeigt: Mit 45 Prozent optimistisch gestimmter Bundesbürger ist das Vorjahresergebnis (44 Prozent) noch einmal getoppt und sind die Pessimisten mit 27 Prozent auf die Ränge verwiesen worden.

Unter den Jugendlichen ist der Anteil der Optimisten geradezu albern groß, hier sind es 50 Prozent, wofür es natürlich überhaupt keinen Grund gibt, denn auch dem letzten Hip-Hopper dürfte klar sein, dass das Wirtschaftsniveau der Elterngeneration kaum zu halten und an Arbeitsplatzsicherheit kaum zu denken ist und dass die Wohlstandswende so sicher kommt wie das Amen in der Kirche.

Mittlerweile vermuten Statistiker, dass die Umfrageergebnisse korrumpiert sind durch eine flächendeckende, versehentliche Ausgabe von Ecstasy, wahrscheinlich durch die Trinkwasseranlagen auf Schulhöfen. Was die Älteren angeht, so geht man von einer milden, optimistisch stimmenden Form früher Demenz aus, die möglicherweise durch Verunreinigungen von Kaffee Hag ausgelöst wurde. Denn natürlich wird das nächste Jahr scheußlich, mit Kriegen und Erdbeben und Taifun-Verwüstungen der apokalyptischen Art.

Islamisten und Islamfeinde werden stärker

Schon beim letzten Jahreswechsel waren die Befragten unglaublich optimistisch, und was haben wir erlebt? Russland begann einen Krieg mit der Ukraine und annektierte die Krim, die bärtige Conchita Wurst gewann den European Song Contest, die schwarzen Fahnen der IS-Fanatiker wehen über Teilen Syriens und des Iraks, Ebola raffte Tausende in Westafrika dahin, unsere Ersparnisse wurden durch die Niedrigzinspolitik aufgefressen, Borussia Dortmund liegt zur Jahreswende blutend im Tabellenkeller.

Offenbar hat der Deutsche all das erlebt wie eine Ausgabe von “Mainz wie es singt und lacht”. Und schaut lächelnd nach vorn. Mehr davon.

Unschwer ist zu entziffern, was da aus dem Nebel des kommenden Jahres auf uns zuwankt. Immer deutlicher wird sich der Islamismus, ähnlich wie vor ihm Stalinismus und Faschismus, als neue totalitäre geopolitische Bedrohung erweisen. Selbstverständlich wird auch die antiislamische Pegida-Bewegung anschwellen und zur Massenbewegung werden.

Denn jede neue Beschimpfung durch Politiker provoziert den Widerstandsgeist der Geschmähten, denen die offiziell geforderte Willkommenskultur für den Islam bei den nahezu täglich gemeldeten Scheußlichkeiten rund um den Erdball – vom Café in Sydney über die durchgeschnittene Reporter-Kehle in Syrien bis zum islamisch-antijüdischen Mob in Paris – nicht einleuchten mag.

Nach islamistischem Terroranschlag dreht sich die deutsche Politik

Spätestens im März 2015 ist die Frage entschieden. Dann wird es einer kleinen Gruppe deutscher Dschihadisten gelingen, ein spätes düsteres Silvesterfeuerwerk nachzureichen, eine Bombe im Kölner Dom. Danach wird sich die Politik um 180 Grad wenden. Bundesjustizminister Heiko Maas, der die islamkritischen Demonstranten als “Schande für Deutschland” bezeichnete, wird von der eigenen Partei aus dem Kabinett zurückgezogen, weil man ihn sich angesichts der neuen Umfragewerte von unter 20 Prozent nicht mehr leisten mag.

In Russland wird es noch im Winter 2015 (der dort bis Mai dauert) zu Hungeraufständen kommen. Der Rubel wird auf Ramschniveau gehandelt, und Putins Versuch, der Inflation mit dem zentralistischen und planwirtschaftlichen Sowjetbesteck Herr zu werden, schlägt fehl. Dass etwa der Preis für Buchweizenmehl offiziell festgelegt wird, hat zur Folge, dass Buchweizenmehl aus den staatlichen Supermärkten verschwindet und nur noch schwarz gehandelt wird.

Dafür gibt es dort sehr günstig Plastiktulpen und Topflappen mit dem Emblem der Olympischen Spiele von Sotschi. Da aber ein beträchtlicher Teil der deutschen Exporte bisher nach Russland ging, das nun kaum noch zahlungsfähig ist, leidet auch die deutsche Wirtschaft ein wenig. Zum ersten Mal seit Langem steigt die Arbeitslosigkeit.

Russische Flüche von Angela Merkel

Der Ton zwischen dem Westen und dem Kreml verschärft sich, denn auch Angela Merkel kann russisch fluchen, wie die abgefangenen und veröffentlichten Gespräche zeigen. Doch Putin wird zum Getriebenen unter dem Einfluss seiner Nomenklatura aus Militär und Geheimdienst. Im Übrigen macht ihm seine neue junge Ehefrau zu schaffen, die es satt hat, im Urlaub nach Sibirien zur Bärenjagd zu fahren. Das erfahren die westlichen Regierungschefs durch einen russischen Geheimdienst-Whistleblower, der sich in die US-Botschaft in Moskau abgesetzt hat.

Russland strebt nach alter Größe, vermag aber Drohpotenzial nur dadurch aufzubauen, dass die nuklearen Trägerraketen wieder aus ihren Silos gefahren werden. Allerdings stellt sich heraus, dass bei einigen Raketen die Nuklearmunition fehlt. Man vermutet, dass sie auf dem schwarzen Markt in die Hände von Dschihadisten gelangt sind.

Immerhin hat sich Borussia Dortmund deutlich vom Tabellenende der Bundesliga abgesetzt und ins Halbfinale der Champions League gespielt, während Bayern München mit dem zurückgekehrten Uli Hoeneß Probleme hat. Denn der vorzeitig aus der Haft entlassene Manager drängt vehement zurück in die alte Spitzenposition. Zwar wäre das an sich noch kein Beinbruch, aber Karl-Heinz Rummenigge hat nun Schwierigkeiten mit all den Knastkumpeln, denen Hoeneß in seiner Landsberger Gefängniseinsamkeit Spitzenjobs beim FC Bayern angeboten hat. Hinzu kommt, dass Rummenigge schon längst die Chefetage nach seinen Vorstellungen möbliert hatte – weg mit dem rustikalen Ofenzimmer-Quatsch, stattdessen Gelsenkirchener Barock – und nun laut darüber nachdenkt, zum HSV zu wechseln.

Selbstverständlich wird auch das neue Jahr von Geheimnisverrat und Datenklau dominiert

Selbstverständlich wird auch das neue Jahr von Geheimnisverrat und Datenklau dominiert. Nicht nur Sony, auch andere große Entertainment-Firmen werden von Hackern ausgespäht, wobei die Nordkoreaner besonderen Wert auf Filme mit Salma Hayek zu legen scheinen, in denen sie ihr Dekolleté zeigt. Hierüber wird in amerikanischen und russischen Geheimdiensten lange gerätselt, bis ruchbar wird, dass Kim Jong-un der Schauspielerin angeboten hat, sie aus ihrer bestehenden Ehe herauszukaufen und zu ihm in einen neuen 1000-Zimmer-Palast nach Pjöngjang ziehen zu lassen. Offenbar ist der Hayek-Fimmel des koreanischen Diktators gänzlich unpolitischer Art.

Für Jugendliche sind die Datenpannen der großen Lieferanten von Musik, Spiel und Spannung natürlich eine permanente Bescherung, womöglich zeigten sie sich deshalb so optimistisch in der eingangs erwähnten Umfrage. Allerdings scheuen die großen Studios von nun an große Ausgaben, sodass sich der Ausstoß ästhetisch zunehmend den kostengünstigen rumänischen und iranischen Autorenfilmen annähert, die auf der Berlinale normalerweise mit Goldenen Bären prämiert werden.

Katholische Kirche wächst und gedeiht

Unter Franziskus erlebt die katholische Kirche eine neue Renaissance. Der Papst ist auf Postern und Tassen und T-Shirts allgegenwärtig, seine Sandalen werden unter dem Markennamen Poverello ein Hit in den Pilgerläden entlang des Jakobsweges. Doch nachdem der IS-Chefideologe Abu Bakr al-Baghdadi angekündigt hatte, mit Allahs Segen die Stadt Rom zu erobern und den Papst zu töten, kommt es im Juli tatsächlich zu einem Anschlag. Allerdings verheddert sich der Selbstmordattentäter in seinen Drähten und kann überwältigt werden.

Die beabsichtigte Botschaft war: Keiner soll sich sicher fühlen. Was aber ankommt, ist dies: Auf die Schusseligkeit der Islamisten ist bis zu einem gewissen Grad Verlass. Selbstverständlich verzeiht der Papst noch auf der Krankenliege dem Attentäter, so wie es vor ihm schon Johannes Paul II. mit dem türkischen Extremisten und Attentäter Ali Agca gemacht hat.

Mitte des Jahres dann ist es so weit: Borussia Dortmund hat nach einer Serie von 14 Siegen Platz zwei hinter den Bayern eingenommen. Im Finale der Champions League treffen die beiden Dauerrivalen aufeinander. Marco Reus gelingt in der zweiten Halbzeit ein lupenreiner Hattrick, was der Borussia den Pokal sichert. Schon vor der Partie hatte sich der Spieler für weitere drei Jahre an den Klub aus dem Ruhrgebiet gebunden, der ihm im Gegenzug einen Führerschein versprochen hat.

Am Ende wird alles gut

Und was macht unsere Kanzlerin in all diesen Turbulenzen? Sie regiert mit ruhiger Hand und strahlt Zuversicht aus, denn sie ist alternativlos. Ihre Zustimmungswerte liegen bei 80 Prozent. Zwar hat sie mit dem Verteidigungsressort der oft als Kronprinzessin oder wahlweise Rivalin gehandelten Ursula von der Leyen einen Job übertragen, der ohne Hochstapelei nicht auszufüllen ist – erste Rufe nach einer Rückkehr des Karl-Theodor zu Guttenberg werden laut.

Doch immerhin kann von der Leyen in der sozialen Wertung, ihrer Kernkompetenz, punkten: Alle Standorte der Bundeswehr sind mit Kinderläden und Pflegemüttern ausgestattet, und selbstverständlich werden Überstunden im Feldeinsatz vergütet. Jedenfalls rein theoretisch, denn zu bewaffneten Einsätzen kommt es nicht mehr. Die Bundeswehr hat sich nach Protesten der Linken und Teilen der Grünen auf beratende Tätigkeiten beschränkt, und auf diese Linie schwenkt die Kanzlerin ein.

In der Zwischenzeit hat der niedrige Ölpreis dafür gesorgt, dass die deutschen Firmen neuerlich über prall gefüllte Auftragsbücher verfügen. Die Vollbeschäftigung ist wieder erreicht, und die Deutschen sehen zum Jahresausgang die eigene Zukunft und Weltlage so rosig wie nie zuvor.

Erschienen am 01.01.15 www.welt.de