Kardinal Raymond Leo Burke gilt als konservativer Gegenspieler von Papst Franziskus. Er kämpft gegen eine Öffnung der katholischen Kirche für Homosexuelle und Frauen im Priesteramt.

In der katholischen Weltkirche ist Papst Franziskus ein neuer konservativer Gegenspieler erwachsen: Der 66 Jahre alte US-Amerikaner Raymond Leo Burke ist die Speerspitze des konservativen Flügels der Kardinäle. Im vergangenen November wurde er als Präfekt der Apostolischen Signatur abberufen, was als Entmachtung durch Papst Franziskus gedeutet wurde. Der Traditionalist aus Wisconsin ist nun Kardinalpatron beim Malteserorden. Durch den Wechsel von der Spitze des obersten Gerichtshofs des Vatikans zur rein repräsentativen Funktion als Vertreter des Papstes bei den Maltesern verlor er an Einfluss.

Er galt als einer der einflussreichsten Gegenspieler des Papstes bei der jüngsten Bischofssynode zur Familienseelsorge. Dort hatte er sich mehrfach gegen den von Franziskus befürworteten Kurs der Öffnung gegenüber Wiederverheirateten und Homosexuellen ausgesprochen. In Deutschland ist er spätestens seit seinem Konflikt mit dem im Maßstab der Weltkirche liberalen Kardinal Walter Kasperbekannt. Mit der “Welt” sprach Burke am Rande der Liturgischen Tagung, die katholische Traditionalisten kürzlich gemeinsam in Herzogenrath (Nordrhein-Westfalen) an der niederländischen Grenze abhielten.

Die Welt: Herr Kardinal, wollen Sie die Kirche spalten?

Raymond Leo Burke: Im Gegenteil, ich möchte eine Kraft für ihre Einheit sein.

Die Welt: Nun haben Sie auf den vorbereitenden Konsultationen zur Familiensynode im kommenden Oktober sehr deutlich gemacht, dass eine Anerkennung des weltlichen Scheidungsrechts mit Ihnen nicht machbar sei.

Burke: Weil wir es nicht dürfen. Wir sind an die Lehre der Kirche und ihrer Jünger gebunden. Aber einige Synodenväter, allen voran Kardinal Kasper, wollten genau das ändern. Und da musste ich sehr deutlich werden. Streit auf einer Synode ist übrigens nichts Ungewöhnliches. Denken Sie an die frühen Konzilien. Denken Sie an die Arianische Häresie, da ist Athanasius sogar physisch aggressiv vorgegangen.

Die Welt: Wenn der Papst aber nun gegen die Unauflöslichkeit der katholischen Ehe entscheidet, was würden Sie dann machen?

Burke: Ich müsste dann zum Papst gehen und ihm meine Gewissensgründe darlegen, dass ich der Wahrheit folgen und gleichzeitig gehorsamer Diener der Kirche sein möchte. Gehorsam ist eine hohe Tugend.

Die Welt: Nun ist etwas Merkwürdiges passiert, die Bühne hat sich gedreht. Jetzt sind es nicht mehr Sie, sondern die andere Seite, die droht. Kardinal Marx, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, hat kürzlich gesagt, er fühle sich nicht “als Filiale Roms” und werde in der Frage der Wiederverheiratung, sollte sie nicht nach seinen Vorstellungen geändert werden, dann einen eigenen deutschen Hirtenbrief vorbereiten. Als einzige Bischofskonferenz weltweit.

Burke: Ich habe Marx’ Erklärung nicht im Wortlaut gelesen, aber natürlich sind Wendungen wie “Filiale Roms” albern. Wir sind alle auf Petrus bezogen, das ist die Einheit der katholischen Kirche. “Filialen” – das ist Businesssprache, das gehört nicht in die Kirche. Es kommt dann schon auf den Gehorsam an.

Die Welt: Das gilt auch für Sie!

Burke: Das ist richtig. Ich würde in dem Fall mit dem Heiligen Vater reden müssen, wie ich der Wahrheit treu bleiben kann und gleichzeitig meinen Gehorsam nicht aufkündige. Aber deshalb rede ich so deutlich, denn der Heilige Vater soll wissen, dass nicht alle so denken wir Kardinal Kasper.

Die Welt: Der Theologe Klaus Berger hat kürzlich in einem sehr düsteren Beitrag die Endzeit des Christentums aufziehen sehen. Im Westen verblasst der Glaube, im Osten werden Christen von Muslimen niedergeschlachtet.

Burke: Ich fordere meine Zuhörer auf, aufrecht für ihren Glauben einzustehen. Auch für das Naturrecht, auf das sich die Kirche stützt, denn da gibt es derzeit auch viel Verwirrung …

Die Welt: … Sie meinen die Genderdebatte?

Burke: Natürlich. Wir sind alle entweder Mann oder Frau, maskulin oder feminin, und wahres Glück entspringt daraus, das wir unsere sexuelle Natur annehmen und entwickeln.

Die Welt: Also zu den Homosexuellen, wie sieht es da aus?

Burke: Die homosexuelle Veranlagung ist eine Form des Leidens, das bestimmte Menschen befällt.

Natürlich möchte man Tugenden wie Treue und Selbstaufopferung in allen stärken, aber das darf nicht zur Zustimmung zu solchen sexuellen Akten führen

Die Welt: Auweia. Als Leiden empfinden Homosexuelle ihre Veranlagung nicht gerade, sie sind damit zur Welt gekommen.

Burke: Aber ich glaube nicht, dass Homosexualität genetisch ist. Es kommt sehr auf die Umwelt an. In meiner Gemeinde hatte ich homosexuelle Paare, die sehr unglücklich über ihr Sexualleben waren.

Die Welt: Es gibt viele andere, die es sehr genießen. Wäre hier die Kirche nicht zu der von Kardinal Kasper beschworenen Barmherzigkeit verpflichtet, gerade bei Homosexuellen, die sich Treue versprechen und schon lange zusammenleben?

Burke: Natürlich möchte man Tugenden wie Treue und Selbstaufopferung in allen stärken, aber das darf nicht zur Zustimmung zu solchen sexuellen Akten führen. Eine eheliche Beziehung ist nur zwischen Menschen verschiedenen Geschlechts möglich. Aus kirchlicher Sicht kann es eine Ehe zwischen Gleichgeschlechtlichen nicht geben.

Die Welt: Wo kann Kirche, wie Sie sie sehen, denn gedeihen? Was kann man noch machen?

Burke: Ganz einfach. Für ein Heim sorgen, in dem die Lehren der Kirche leben. Tischgebete, der Besuch der heiligen Messen, häufiger zu Hause gemeinsam beten, all das hilft. Deshalb ist Familie so wichtig für mich, auch jetzt zur Synode. In der Familie werden die Weichen gestellt.

Die Welt: Sie haben auch vor einer Feminisierung der Kirche gewarnt. Was verstehen Sie darunter, und warum soll das schlecht sein?

Burke: Wir sind, zumindest in den USA, durch die Phase eines radikalen Feminismus gegangen, in der aus dem Grundsatz, dass Männer und Frauen selbstverständlich die gleiche Würde haben, der Schluss gezogen wurde, dass sie auch die gleichen Sachen machen. Also wurde das Priestertum auch für Frauen gefordert. Aber Johannes Paul II. hat das ein für alle Mal ausgeschlossen.

Die Welt: Warum eigentlich keine Priesterinnen?

Burke: Nun, der Herr hat sich eben diese zwölf Männer ausgesucht, die ihm nachfolgen sollten, sicher gab es unter den Jüngern und Gefolgsleuten auch Frauen, die in höchster Wertschätzung standen, allen voran natürlich die Gottesmutter, aber die Kirche lehnt sich an dieses Urbild an. Die Rolle des Priesters in der Kirche ist eine väterliche, und deshalb sollte sie von Männern ausgefüllt werden.

Die Welt: Sie haben den Papst dafür kritisiert, dass er keine Richtung vorgibt, also seine Pflichten vernachlässigt. Seine Antwort war erst mal, Sie von Ihren Ämtern in der Kurie zu entfernen. Wie ist Ihr Verhältnis heute?

Burke: Er ist sehr freundlich, wenn wir uns treffen. Ich kann aber nicht anders, als meinen Mund aufzumachen, er versteht das schon.

Die Welt: Wie erklären Sie sich, dass Millionen von Menschen und nahezu alle Staatschefs der Welt in Paris zusammenkommen, um die säkularen Opfer des islamistischen Terrors zu betrauern, während es in den Nachrichten nur ein paar Zeilen wert ist, wenn zu gleicher Zeit im Norden Nigerias eine Stadt mit 10.000 Christen von den islamistischen Boko Haram dem Boden gleichgemacht wird?

Burke: Ich bin tief erschrocken und entsetzt darüber, was mit unseren Glaubensbrüdern in Syrien passiert und natürlich in Afrika …

Die Welt: … der gewaltigen Wachstumszone für die Kirche.

Burke: Genau, auch auf der Synode waren sie sehr präsent. Es sollte über dieses Morden an Christen einen großen Aufschrei geben, und dass der ausbleibt, macht mich traurig.

Die Welt: Was sollte die Antwort sein?

Burke: Wir sollten deutlich machen, dass unsere Identität christlich ist. Besonders Europa ist christlich. Unser Menschenbild, unsere Bildung, unsere Anthropologie, unsere Werte, die wir in der Familie weitergeben sollten.

Die Evangelikalen sind eine große Hilfe, wenn es um die Gegnerschaft zur Abtreibung geht, auch die Ehe und die Familie stehen bei ihnen hoch im Kurs

Die Welt: Was halten Sie von den protestantischen Evangelikalen? Papst Franziskus hat sehr freundlich über sie gesprochen. Könnten sie eine neues christliches Bekenntnisfeuer entfachen?

Burke: Die Evangelikalen sind eine große Hilfe, wenn es um die Gegnerschaft zur Abtreibung geht, auch die Ehe und die Familie stehen bei ihnen hoch im Kurs. Die Schwierigkeit ist, dass sie andere Vorstellungen von der Einheit der Kirche und vom Verständnis der Sakramente haben. Lassen Sie uns hoffen, dass die Kirche aus ihrer gegenwärtigen Verwirrung herausfindet. Die Welt braucht eine starke katholische Kirche.

Die Welt: Warum?

Burke: Weil sie das Bewusstsein für die Würde des Menschen lebendig hält, weil sie das Leben achtet, die Schöpfung, weil ihr die Ehe und die Familie heilig sind, weil sie Reue und Vergebung kennt. Ein Lutheraner sagte mir kürzlich: Wir haben bei uns die Unauflöslichkeit der Ehe aufgehoben, aber ich habe immer gehofft, dass ihr Katholiken sie aufrecht erhaltet.

Erschienen am 24.04.15 www.welt.de



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